Von Thomas Grüner
705 Milliarden US-Dollar – so lautet die Summe der gesamten globalen Investitionen in den vergangenen sieben Monaten des Jahres 2021 in passive Exchange Traded Funds (ETFs). Somit konnte erstmals die Schallmauer eines Gesamtvolumens in ETFs von 9 Billionen US-Dollar übertroffen werden. Auch wenn diese Summe gegenüber den 40,7 Billionen US-Dollar an globalen Vermögenswerten in aktiv gemanagten Fonds noch deutlich geringer ausfällt, nimmt die Bedeutung passiver Produkte doch immer stärker zu. Die Gründe hierfür sind einfach und beruhen auf dem klassischen Anlegerverhalten. Probleme langfristig orientierter Investoren hingegen bleiben ungelöst.
Passives Investieren? Fehlanzeige!
Viel zu häufig werden passive Produkte mit passivem Investieren verwechselt. Den Beweis hierfür tritt jährlich das unabhängige DALBAR-Institut an, welches sich auf Anlegerverhalten spezialisiert hat. Demnach halten Anleger ihre Aktienfonds – aktiv wie passiv – im Durchschnitt nur rund 4,5 Jahre, was sie zu den meist gehandelten Produkten macht. Schwer vorstellbar, dass irgendein Investor diesen Zeitraum als langfristig empfindet. Das Ergebnis ist laut DALBAR eine um etwa 40 Prozent schlechtere Rendite im Vergleich zur Performance des Markts über einen Zeitraum von 25 Jahren.
Wiederkehrende Trends
Investitionstrends am Aktienmarkt wiederholen sich regelmäßig. Anleger kaufen häufig vor allem dann, wenn Aktienmärkte längere Zeit gestiegen sind und verkaufen tendenziell in der Nähe des Tiefpunkts. Sie kehren somit die eigentliche Anlageintention um. Selten entdecken Investoren früh im Zyklus den Aktienmarkt für sich. Wer spät im Zyklus auf den ETF-Zug aufspringt, kauft vor allem die Segmente des Markts, die in der expansiven Phase besonders gut gelaufen sind. Im März 2000 – am Ende der Technologieblase - repräsentierten die 30 größten US-Unternehmen 49 Prozent des US-Markts, die Hälfte davon bestand aus Technologiewerten. Elf der 50 größten Unternehmen waren Neuemissionen in Form von IPOs. Wer zu diesem Zeitpunkt „den Markt“ kaufte, investierte besonders eng. In der Folge stürzte der Technologiesektor bis ins Jahr 2002 um 82 Prozent ab.
Kritisches Denken lohnt
Ein ähnlicher Trend entsteht heute. Mittlerweile machen die drei größten Unternehmen im globalen MSCI World Index rund 10 Prozent aus. Doch beschränkt sich das ETF-Volumen nicht mehr nur auf passive Abbildungen des Markts. Viel mehr liegen inzwischen Nachbildungen eigener Indizes, Themen oder Sektoren im Trend. Auch aktive ETFs, die Anleger angeblich vor größeren Abstürzen oder der Inflation schützen, nehmen immer mehr Bedeutung ein. Unter dem Deckmantel der passiven Investments wird zu einer höheren Kostenquote ein enges Konstrukt verkauft – häufig mit noch stärkerem Fokus auf die „heißen Bereiche“ des Markts. Die Risiken hingegen werden ausgeblendet. ETFs bergen somit die gleichen Investitionsfallen aus Ineffizienzen und potentiellen Überkonzentrationen auf einzelne Bereiche des Marktes wie aktive Fonds. Dass so nicht die Lösung aussehen kann, wird schnell klar.
Fazit: Spät im Zyklus passiv zu investieren, fühlt sich zunächst hervorragend an. Günstige Kosten, steigende Märkte – einfach fabelhaft! Doch zu diesem Zeitpunkt kauft man vor allem die besonders stark gestiegenen Werte. Wer spezialisierte, aktive ETFs in Erwägung zieht, steigert durch eine tendenziell geringere Investitionsbreite seine Risiken noch weiter. Das Problem eines mangelhaften Anlegerverhaltens ist somit nachweislich nicht gelöst.
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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