Von Thomas Grüner
Die Stimmung der Anleger hat im negativen Börsenmonat September einen Dämpfer erhalten. Dabei ist ein typisches Muster zu erkennen: Wenn Experten davon überzeugt sind, dass sich Aktienmärkte in eine bestimmte Richtung entwickeln, diese aber eine ganz andere Richtung einschlagen, dann sind die Experten verstimmt. Ist die Prognose dagegen korrekt, bricht auch kein Jubel aus. Das Verständnis für diese eigenartige Sichtweise kann Ihnen dabei helfen, in einem typischen Bullenmarkt erfolgreich durch die Schlagzeilen zu navigieren.
Fällige Korrektur?
Wenn Aktienmärkte wie prognostiziert steigen, werden sie in den Schlagzeilen oft als überbewertet bezeichnet. Wird ein Marktrückgang als logische Konsequenz einer Überbewertung vermutet, sorgt dessen tatsächlicher Eintritt allerdings nicht für Zufriedenheit – eher wird es als Zeichen gewertet, dass der Aktienmarkt seinen Boden noch nicht gefunden hat. Es läuft nicht immer exakt nach diesem Prinzip, aber im Jahr 2021 wurde diese Sichtweise definitiv angewendet. Über die Sommermonate hinweg waren unzählige Marktbeobachter der Meinung, dass es am Aktienmarkt viel zu ruhig zugeht. Der marktbreite US-Index S&P 500 hatte seit dem vergangenen Herbst keinen Rückgang von mehr als 5 Prozent verzeichnet – und das angesichts drängender Probleme wie Inflation, Delta-Variante, Angebotsknappheit und vielen weiteren Gruselgeschichten. Daraus wurde gefolgert, dass eine gewisse Abwärtsvolatilität nur gesund sein würde.
Genau diese Schwelle von 5 Prozent Rückgang wurde im September überschritten. Verkünden nun die Schlagzeilen, dass die Aktienmärkte jetzt wieder rationaler sind und alles in Ordnung ist? Nein, das ist definitiv nicht der Fall. Viel eher wird flächendeckend davor gewarnt, dass diese Abwärtsbewegung nur die Spitze des Eisbergs sein könnte. Es drohen schließlich steigende Kosten und sinkende Unternehmensgewinne, das Ende der quantitativen Lockerung seitens der Fed, eine fortgeführte Angebotsknappheit und eine kräftige Inflation. Jedes dieser Themen ist ein Kapitel für sich, aber sie haben eines gemeinsam: Ihre tatsächliche Auswirkung auf die Märkte ist nicht so negativ, wie es weithin angenommen wird.
Ein gutes Zeichen
Aus unserer Sicht ist die Tatsache entscheidend, dass diese negativen Stimmungsbilder überhaupt so verbreitet sind. Ihre Existenz legt nahe, dass die Marktstimmung weit von einer gefährlichen Euphorie entfernt ist. Wenn Anleger zu optimistisch werden oder gnadenlos in Euphorie verfallen, wird jeder Marktrückgang als einzigartige Nachkaufgelegenheit interpretiert. Heute ist dagegen die Stimmungslage vorherrschend, dass Experten sowohl steigende als auch fallende Märkte als problematisch ansehen. Ungeachtet der kurzfristigen Auswirkungen halten wir den jüngsten Stimmungsrückgang also für ein gutes Zeichen. Bullenmärkte klettern an der Mauer der Angst empor und profitieren von der Auflösung falscher Ängste.
Fazit: Volatilität ist ein natürlicher Bestandteil des Bullenmarkts. Sie sorgt dafür, dass Aktienanleger emotionale Hürden überwinden müssen, aber sie trägt in gewissem Sinne auch zur Fortsetzung eines Bullenmarkts bei. Denn Rückgänge der Marktstimmung implizieren, dass Anleger ihre Erwartungshaltung im Zaum behalten. So wird verhindert, dass Marktteilnehmer flächendeckend der Euphorie verfallen und die Realität nicht mehr mit dieser Erwartungshaltung mithalten kann. Gegen besorgniserregende Schlagzeilen hilft aktuell die zeitlose Maxime: Seien Sie ängstlich, wenn andere gierig sind und gierig, wenn andere ängstlich sind.
Fragen zum Beitrag beantworte ich gerne per E-Mail an feedback@gruener-fisher.de.
Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.