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Falsche Mythen zur Schuldenobergrenze

Freitag, 5. November 2021 um 20:15

Von Thomas Grüner
Laut Schätzungen des Finanzministeriums in den USA sorgt die kurzfristige Anhebung der Schuldenobergrenze im Oktober dafür, dass nun genügend Kapital bis zum 4. Dezember 2021 für den Staatshaushalt bereitsteht. Zwar ist eine Lösung durch den Reconciliation-Prozess entgegen anders lautender Berichterstattungen möglich. Doch die Demokraten scheinen nur wenig begeistert zu sein, da sie den Republikanern im nächsten Jahr keine Kampagne zur finanzpolitischen Redlichkeit ermöglichen wollen. Viel mehr wünscht man sich eine beschmutzte Opposition – eine starke Motivation, die ein Herauszögern der Anhebung durchaus wahrscheinlich macht.

Unsicherheiten durch Halbwahrheiten

Falls dies geschieht, werden viele Stimmen vor einem möglichen Zahlungsausfall der Vereinigten Staaten warnen. Dieses Statement ist ebenso „alt“ wie falsch. Wenn Zahlungen an Lieferanten oder Vertragspartner verpasst werden, handelt es sich nicht um einen offiziellen Zahlungsausfall. Ein Zahlungsausfall definiert sich über eine einzige Kategorie. Er tritt ein, wenn Zins- oder Rückzahlungen von Schulden verpasst werden. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist jedoch extrem gering und eine wirkliche Katastrophe noch viel weiter entfernt.

Wenn die Schuldenobergrenze erreicht ist, kann das Finanzministerium auslaufende Anleihen durch neue Anleihen einfach prolongieren. Für Zinszahlungen reichen die Steuereinnahmen bei weitem aus, ohne dass hierfür Schulden aufgenommen werden müssten. Im Fiskaljahr 2021 reichten die Einnahmen zusätzlich aus, die soziale Sicherheit und die Gesundheitsvorsorge zu bedienen. Darüber hinaus müsste das Finanzministerium im schlimmsten Fall harte Entscheidungen treffen, welche Gewinner und Verlierer hervorruft. Das wiederum wäre keine gute Entwicklung, aber sicherlich auch kein offizieller Zahlungsausfall. Ein derartiges Szenario umfasst eine partielle Regierungsschließung, doch niemals zuvor verursachte ein Shutdown der Regierung eine Rezession oder einen Bärenmarkt.

Längerfristiger Stillstand?

Was geschieht jedoch, wenn das Finanzministerium eine Zinszahlung kurzfristig verpassen würde? Die Historie verrät, dass auch das nicht katastrophal wäre. 1979 bereits wurden Zinszahlungen aufgrund von einer Computerpanne verpasst. Die Zahlungen wurden nachgeholt, stellten aber dennoch technisch gesehen einen Ausfall dar. Es hinderte die USA jedoch nicht daran, weiterhin Anleihen auszugeben. Auch die Nachfrage blieb stabil.

Fristlose Zahlungsausfälle würden sich hingegen negativ auswirken. Beide Parteien haben jedoch große Anreize, dies zu verhindern. Höchstwahrscheinlich würde das Finanzministerium allen Zahlungsverpflichtungen in Bezug auf die Verschuldung nachkommen, selbst wenn der Senat nicht die ausreichenden Beschlüsse für eine Anhebung der Schuldenobergrenze treffen würde. Aber selbst wenn ein Fehler entstünde und Zahlungen sich kurzfristig verschieben, wäre das ähnlich zu sehen wie die Panne aus dem Jahr 1979. Es wäre keine Katastrophe für die Märkte.

Fazit: Die Schuldenobergrenze stellt ein viel diskutiertes Instrument dar. Regelmäßig fürchten Marktbeobachter einen Zahlungsausfall der USA. Während die Definition ein solches Ereignis höchst unwahrscheinlich macht, handelt es sich hierbei um mehr als bloße Semantik. Vor allem haben die Beteiligten ein besonderes Interesse daran, keinen längerfristigen Stillstand zu riskieren. So lange das nicht geschieht, sind auch größere und langfristige Auswirkungen auf die Märkte wenig wahrscheinlich.

Fragen zum Beitrag beantworte ich gerne per E-Mail an feedback@gruener-fisher.de.

Thomas Grüner
ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.


Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.

 

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