Von Bernd Niquet
Schon seit längerer Zeit kann ich das Wort Corona schlichtweg nicht mehr hören, mittlerweile geht es mir beim Begriff Impfen allerdings ebenfalls schon so.
Wenn es nicht so unpassend und brutal wäre, wüsste ich gerne einmal, was bei uns wohl passieren würde, wenn jetzt die Russen irgendwo angreifen, im Süden in der Ukraine oder im Norden bei Nord Stream?
Wahrscheinlich wäre dann das Hauptthema bei uns, ob die russischen Soldaten auch alle geimpft sind.
Wenn man jedoch einmal versucht, dieses Thema bei uns aus ein paar anderen Blickwinkeln heraus zu betrachten, kommt man zu wirklich merkwürdigen Dingen, finde ich.
Hätten wir beispielsweise heute bei uns eine direkte Demokratie, dann wären die zwei Drittel der Bevölkerung, die mittlerweile geimpft sind, in der Lage, das Grundgesetz zu ändern. Dann könnten sie dass letzte Drittel zwingen …, es sei denn das Bundesverfassungsgericht …, doch das dauert bestimmt bis zum Jahr 2024.
Und bis dahin sind wir sowieso alle entweder tot oder immun.
Interessant finde ich auch die Überlegung, warum eigentlich diejenigen, die sich mit großer Überzeugung nicht impfen lassen, sich viel klüger finden als die tumbe Masse, die das trotz vieler Bedenken über sich ergehen lassen hat?
Ich vermute, dahinter steckt ein Missverständnis des Erkenntnisprozesses, also der Theorie, wie wir letztlich zu unseren Erkenntnissen kommen. Und ich bin sicher, dass man das pars pro toto auf beinahe alle Bereiche ausdehnen kann, mit denen wir Menschen heute zu tun haben.
Ich will hier gar nicht mit Begriffen wie Deduktion oder Induktion kommen, das wäre ja viel zu schwierig, sondern ganz einfach sagen: Ich glaube, die Richtung unserer Erkenntnisprozesse hat sich verändert, sie hat sich genau umgedreht.
Umgedreht aber heißt: Einbahnstraße. Wir befinden uns in einer Einbahnstraße. Und so etwas ist immer schlecht, wenn man sich plötzlich etwas anders überlegt.
Doch was will ich nun eigentlich sagen?
Ich will sagen, dass normalerweise jeder Mensch über Vorstellungen von der Welt, über Anschauungen und Theorien verfügt, die gelernt oder im Laufe des Lebens erworben worden sind und die gleichsam die Brillengläser darstellen, durch die wir die Welt betrachten. Das heißt: Zuerst ist da die Brille und dann erst das Bild.
Heute scheint es jedoch vielfach genau umgekehrt zu sein. Denn da haben viele Menschen in den unsozialen Netzwerken Unerhörtes gehört, das ihren Blick auf Normalnull ausgerichtet und den Arsch auf Grundeis gelegt hat. Sie haben Angst, sind böse und komplett erstarrt.
Und in diesem Erregungs- und Erstarrungszustand versuchen sie sich nun die Welt zu erklären. Doch dabei schauen sie die Dinge plötzlich nicht mehr durch die eigene mittlerweile angewachsene Brille an und bewerten sie nicht mehr anhand der eigenen erworbenen Vorstellungen, Anschauungen und Theorien, sondern sie setzen sich umgekehrt aus irgendwelchem Datenmüll genau die Bilder zusammen, die in der Lage sind, ihre eigenen Ängste und die eigene Wut plausibel zu machen.
Im Grunde ist das genau das, was derjenige, der als Einziger ein noch schlechterer Kanzler Deutschlands gewesen ist als Angela Merkel, damals auf der Feste Landsberg vor knapp hundert Jahren uns schon vorexerziert hat.
Da hat er nämlich in seinem Kampf die gesamte deutsche Geistesgeschichte durchgearbeitet, jedoch nur das davon genommen, was ihm passte, der Rest wanderte hingegen in den Orkus.
Und leider ist aus diesem ganzen Quatsch nicht nur Pimpfbewegung mit der Pimpfenprobe geworden.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******
Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. SIEBENTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2021, 635 Seiten, 22 Euro
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In Kleists Drama "Penthesilea" geht es um den Konflikt zwischen einem gefühlsintensiven Individuum und der gesellschaftlichen Ordnung, die diesen Gefühlen entgegensteht. Penthesilea, die Königin der Amazonen, erobert im Kampf Männer, um sie zur Zeugung neuer Kriegerinnen mitzunehmen. Nach vollzogenem Zeugungsakt entlässt sie die Männer wieder in die Freiheit. Nur ihrem Geliebten stellt sie nach, was diesen letztlich sein Leben kostet. Kann es sein, dass ich in meinem Leben mehrmals nur haarscharf an vielem aus dieser Tragödie vorbeigeschrappt bin? Und dann ist ja auch noch Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist nur unweit meiner Wohnung freiwillig aus dem Leben geschieden.
Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt am wunderschönen grünen Rand seiner ansonsten mittlerweile ungeliebten Heimat Berlin. Die vorangegangenen sechs Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019 und 2020.
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