Von Bernd Niquet
Was ist denn das? Was ist hier los? Ich versteh´ es nicht.
Da steht jemand bis zu den Zähnen bewaffnet vor uns, doch was machen wir? Wir sind so gut wie nicht bewaffnet, hauen ihm aber voll eine in die Fresse.
Interessant, wie unterschiedlich unsere Verhaltensweise bei Amokläufen im eigenen Land und beim Heraufziehen eines großen Krieges sind.
Bis Mittwochabend hatte ich keine Ahnung, was eigentlich genau hinter den Sicherheitsgarantien Russlands steckt, die man dort schriftlich bestätigt haben wollte. Die Zeitungen und das Fernsehen haben darüber ja nicht berichtet.
Seit Mittwochabend weiß ich jedoch, dass wir sie abgelehnt haben. Die „WELT“ schreibt: „Nun hat Moskau die Absage der NATO schriftlich.“ Ist das klug, was wir machen?
Wenn es, wie es jetzt aussieht, hierbei darum geht, dass sich die NATO aus Osteuropa zurückzieht, dann können wir diesem Wunsch natürlich nicht nachgeben, das ist klar. Doch warum lehnen wir dann trotzdem Moskaus Bedürfnis nach Sicherheitsgarantien so pauschal ab?
Geben wir doch einfach ANDERE Sicherheitsgarantien ab. Wir sind doch Demokratien, haben ein gutes Gewissen, wir können uns doch verpflichten, Russland nicht anzugreifen. Oder sonstwas. Aber das? Ich versteh´ es nicht.
Ist das jetzt Dummheit oder steckt da ein Plan dahinter? Und ist dieser Plan etwa, mit 5.000 Mann gegen Russlands mehr als 200.000 Mann zu Felde zu ziehen? Here we come... .
Ist es da nicht viel schöner, uns im Corona-Morast zu suhlen als einen neuen Weltkrieg zu haben? Ich versteh´ es nicht.
Und dann ist da plötzlich eine ganz neue Sprache. Da verstehe ich auch nichts. Ein Amokläufer hat in Deutschland gewütet und überall wird berichtet, er habe eine Langwaffe dabei. Ich schaue die Nachrichten durch: Überall Langwaffe, Langwaffe, Langwaffe, Langwaffe, Langwaffe, Langwaffe, Langwaffe, Langwaffe, Langwaffe, Langwaffe, Langwaffe… .
Nirgendwo wird auch nur einmal ein anderes Wort benutzt. Ich bin jetzt schon ganz schön alt, habe vieles gesehen, noch mehr gelesen und habe mir mit der Zeit sicher einen ganz guten Wortschatz angeeignet, doch das Wort Langwaffe habe ich nie zuvor gehört. Ich versteh´ es nicht. Würde mir das bitte jemand erklären? (Dann natürlich, wenn es aktuell ist.)
Egal, was gegenwärtig wie und warum gesagt wird, ich versteh´ es nicht.
Und dennoch gibt es auch in den schlimmsten Krisenzeiten immer noch den Humor. Die allerschönste Szene dazu gab es in dieser Woche bei Euronews. Ein Bericht über die erste Delegation aus Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban, die zu politischen Gesprächen nach Norwegen angereist kommt.
Das Bild zeigt ein Flugzeug auf einem Flugplatz, aus dem viele korpulente Männer mit Tüchern um den Kopf herausgestiegen kommen. Sie klettern aus dem Flugzeug und gehen draußen über das Rollfeld.
Dazu sagt die Kommentatorin: „Gleich im Anschluss werden die Taliban innen mit den Gespräche beginnen.“ In diesem Moment bin ich kolossal erleichtert. Wie schön, dass nicht außen vor dem Gebäude verhandelt wird, sondern innen.
Der Rest ist dann Lachen. Vielleicht allerdings das letzte Lachen für eine lange Zeit... .
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******
Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. SIEBENTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2021, 635 Seiten, 22 Euro
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In Kleists Drama "Penthesilea" geht es um den Konflikt zwischen einem gefühlsintensiven Individuum und der gesellschaftlichen Ordnung, die diesen Gefühlen entgegensteht. Penthesilea, die Königin der Amazonen, erobert im Kampf Männer, um sie zur Zeugung neuer Kriegerinnen mitzunehmen. Nach vollzogenem Zeugungsakt entlässt sie die Männer wieder in die Freiheit. Nur ihrem Geliebten stellt sie nach, was diesen letztlich sein Leben kostet. Kann es sein, dass ich in meinem Leben mehrmals nur haarscharf an vielem aus dieser Tragödie vorbeigeschrappt bin? Und dann ist ja auch noch Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist nur unweit meiner Wohnung freiwillig aus dem Leben geschieden.
Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt am wunderschönen grünen Rand seiner ansonsten mittlerweile ungeliebten Heimat Berlin. Die vorangegangenen sechs Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019 und 2020.
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