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Schlimme Worte (und schlimme Taten)

Donnerstag, 14. April 2022 um 08:44

Von Bernd Niquet

Am meisten gespannt bin ich, wie die Historiker einmal in einigen Jahren und Jahrzehnten die Jetztzeit bewerten werden?

Ob sie das Heute als Ausgangspunkt für ein neues Zusammenwachsen von Europa und der westlichen Allianz sehen werden (egal ob die dann später realisiert worden ist oder nicht), oder eher als passives Mitwirken des gesamten Westens am größten Völkermord in Europa seit der Shoah?

Eigentlich bin ich fast noch mehr von den Worten erschrocken, die ich derzeit vernehme, als von den Taten. Denn dass die Russen sich wie in Grosny und Aleppo verhalten werden, war mir ja klar, das hatte ich antizipiert.

Doch was ich von unseren Politikern höre und auch von den Russen, versetzt mir schon den einen oder anderen Leberhaken. Für mich wirkt vieles, als sei da auf beiden Seiten etwas ausgeklinkt.

(1) Im Westen höre ich immer wieder die Angst, die jetzigen Lieferungen von schweren Waffen an die Ukraine könnten von Putin als Eintritt der Nato in den Krieg gewertet werden. Und dann kommt natürlich sofort das Atombombenthema, das wir uns ja dummerweise von den Russen aus der Hand nehmen gelassen haben.

Weil derzeit gerade alle vom Fußball reden, vielleicht das hier: Im Moment es in etwa so wie in einem Fußballspiel, das ohne Schiedsrichter gespielt wird und bei dem die eine Mannschaft bewusst nicht den Ball zu treffen versucht und nur auf die Beine der anderen Mannschaft zielt, um sie möglichst zu brechen. Während die andere Mannschaft, als einem Spieler versehentlich der Ball an die Hand springt, darüber diskutiert, ob sie den so gewonnenen Ball nicht freiwillig an die andere Mannschaft zurückgeben sollte.

(2) Im Osten wird währenddessen im russischen Fernsehen ganz offen vom Einsatz von Chemiewaffen gesprochen, die offiziell geächtet sind. Dass man damit den Gegner ausräuchern wolle.

In Syrien konnten wir ja bereits sehen, wie es aussieht, wenn Giftgas eingesetzt wird, doch bisher ist das von den Tätern immer bestritten wird. Dass das jetzt sogar offiziell im Fernsehen angekündigt wird, ist eine neue Dimension des kompletten Ausgeklinktseins.

(3) Wahrscheinlich hat Jesus Christus am Kreuz wirklich die einzig richtigen Worte gewählt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Leider hat er uns alle verlassen. Und seine Gegner wissen sehr gut, was sie tun.

(4) Auch dass es wieder Lager in Europa gibt, in denen entführte Ukrainer interniert werden, erweckt ungute Assoziationen? Erinnern Sie sich noch an meine Kolumne, als ich, damals noch übertrieben zu haben glaubend, gefragt habe, wann wohl die Nato eingreift? Wenn die Russen ihre Gegner vergasen?

(5) Und noch eine Parallele: So wie damals bei Hitler hat natürlich auch heute niemand etwas gewusst oder vorher geahnt. Da waren wir genauso Steinmeiers wie viele das heute wieder sind.

(5) Nicht minder irritiert bin ich dann allerdings auch, als ich am vergangenen Wochenende einmal wieder mein Depot durchgerechnet und eine aktuelle Vermögensbilanz aufgestellt habe und dabei feststelle, trotz des Krieges und der großen Krise ein neuen Alltime-High erzielt zu haben. Ich kann nur mit dem Kopf schütteln: Anscheinend wissen wir wirklich alle nicht, was wir tun.

Und was mich zum Schluss in Hinsicht auf die Historiker dann doch noch brennend interessieren würde, ist dies hier: Wenn dann in ein paar Jahrtausenden die Archäologen unsere vernichtete Kultur ausgraben werden, wüsste ich nur zu gerne, ob Olaf Scholz im Todeskampf immer noch gezittert hat oder ob er aus Passivität bereits vor seinem Tod ganz starr gewesen ist?

So etwas können Archäologen ja feststellen. Zeitgeschichtler sind in solchen Dingen hingegen zwangsweise blind.

Und auch wenn es in diesem Jahr nur Galle zu essen und Essig zu trinken gibt, wünsche ich dennoch ein angenehmes Osterfest.

Auferstehen wird in diesem Jahr jedoch niemand, eher weitere Tausende zu Grunde gehen. Aber wir haben es ja so gewollt. Wie hat der große Kenner der Menschheit es doch so treffend in seinem letzten Satz gesagt: Es ist vollbracht!

 

Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet

 

******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******

Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. SIEBENTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2021, 635 Seiten, 22 Euro

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In Kleists Drama "Penthesilea" geht es um den Konflikt zwischen einem gefühlsintensiven Individuum und der gesellschaftlichen Ordnung, die diesen Gefühlen entgegensteht. Penthesilea, die Königin der Amazonen, erobert im Kampf Männer, um sie zur Zeugung neuer Kriegerinnen mitzunehmen. Nach vollzogenem Zeugungsakt entlässt sie die Männer wieder in die Freiheit. Nur ihrem Geliebten stellt sie nach, was diesen letztlich sein Leben kostet. Kann es sein, dass ich in meinem Leben mehrmals nur haarscharf an vielem aus dieser Tragödie vorbeigeschrappt bin? Und dann ist ja auch noch Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist nur unweit meiner Wohnung freiwillig aus dem Leben geschieden.

Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt am wunderschönen grünen Rand seiner ansonsten mittlerweile ungeliebten Heimat Berlin. Die vorangegangenen sechs Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019 und 2020.

Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.

 

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