Von Thomas Grüner
Es ist nicht lange her, dass Anleger Sorgen vor einem schwachen US-Dollar und dem möglichen Statusverlust als Weltreservewährung hatten. Der Dollar konnte hingegen in diesem Jahr tendenziell zulegen. Was europäische Anleger zunächst einmal im Blick auf ihre Investments in den USA freut, sorgt gleichzeitig für Sorgenfalten bezüglich der Gewinnentwicklung multinationaler Unternehmen. Und so nutzen auch Unternehmen häufig selbst bei Gewinnsenkungen die Währung als Sündenbock. Doch ist ein starker oder schwacher Dollar per Definition nun schlecht oder gut? Und sind die Ängste gerechtfertigt?
Theorie und Praxis
Die gängige Meinung besagt, dass ein starker Dollar schlecht für große Exporteure ist, weil er die Einnahmen in anderen Währungen schmälern kann. Wenn ein Unternehmen bei einem starken Dollar für ein bestimmtes Produkt, das es im Ausland verkauft, den gleichen Betrag in Dollar verlangen will, muss es die Preise in der Währung des Empfängerlandes erhöhen. Das kann die Nachfrage einschränken. Um die Nachfrage aufrechtzuerhalten, kann das Unternehmen aber auch die Preise in der Währung des Endmarktes konstant halten und so den Betrag, den es in Dollar erhält, verringern. Die Absatzmengen halten sich vielleicht besser, aber die Einnahmen gehen zurück und die Gewinnspannen sinken.
Theoretisch richtig, doch wird ein Faktor vergessen: Nur wenige Unternehmen beziehen alle Komponenten und fertigen die Endprodukte in ihrem Heimatland. Die große Mehrheit der Unternehmen importiert Teile, Rohstoffe und sogar Arbeitskräfte. Ein starker Dollar macht alle diese importierten Kosten billiger. Das ist zwar kein perfekter Ausgleich für die Einbußen, die die Einnahmen unter diesen Bedingungen erleiden können, aber es gleicht einen großen Teil der Auswirkungen aus und hilft, die Gewinnspannen zu halten. Für einige Unternehmen kann dies sogar vorteilhafter sein, als dass der starke Dollar den Umsatz beeinträchtigt. Darüber hinaus sichern sich die meisten Unternehmen auch gegen Währungsschwankungen ab und begrenzen so die Auswirkungen von starken Schwankungen. So ist zu erklären, dass bei starkem Dollar und hoher Inflation die Bruttomargen im S&P 500 im ersten Quartal weniger als 0,25 Prozent zurückgingen.
Auswirkungen auf Aktienmärkte begrenzt
Die Zahlen belegen dies: Bei der letzten relativen Stärke des US-Dollar im Jahr 2018 legten die Gewinne im S&P 500 zunächst zweistellig zu, um sich dann im Folgejahr weiter moderat zu steigern – langsameres Wachstum aufgrund von Basiseffekten. Anders ausgedrückt: Die Erträge stiegen in den letzten drei Quartalen des Jahres 2019 von einem hohen Niveau aus an, selbst als der Dollar hoch blieb. Auch die Aktien hatten ein tolles Jahr. Als der Dollar 2016 stark war, sahen die Erträge schlechter aus, aber das war auf den Tiefstand der Ölpreise zurückzuführen, der die Erträge des Energiesektors beeinträchtigte. Außerhalb des Energiesektors wuchsen die Erträge, und die Gesamterträge des S&P 500 zogen 2017 an. Auch die Aktien entwickelten sich in beiden Jahren recht gut.
Fazit: Die Angst vor dem Dollar ist vor allem ein Stimmungsbarometer. Wann immer die Anleger große Sorgen haben, wenden sie sich unweigerlich dem US-Dollar zu. Ist er schwach, wird befürchtet, dass ein schwacher Dollar die Importkosten in die Höhe treibt, die Erträge beeinträchtigt und die Inflation anheizt. Ist er stark, entstehen Ängste wie die jetzigen. In Wirklichkeit ist die Währung nur eine Variable, die sich auf die Gewinne auswirkt – und eine, mit der die Unternehmen sehr gut umgehen und für die sie planen können.
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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