Von Bernd Niquet
Kalt duschen und Autos bauen mit Windkraft, das ist Deutschlands neues Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell. Aber ach, nein, Autos sollen ja gar nicht mehr gebaut werden, jedenfalls keine Verbrenner mehr, die werden verboten.
Der ganze neue Markt mit synthetischen Kraftstoffen fällt dann weg. Aber das ist ja nicht wichtig, Hauptsache es stimmt die Moral.
Eigentlich ein Wunder, dass so viele Menschen an der Börse noch die Ruhe bewahren und es keinen wirklichen Crash gibt. Denn was sich jetzt gerade in der Welt verändert, das ist schon heavy. Krieg in Europa, der Westen isoliert Russland und sich gleichzeitig selbst, und die Inflation bricht aus wie ein Vulkan.
Und die deutsche Wirtschaft wird an die Seite gerückt, ver-rückt.
Dabei haben der Dow Jones, der S&P 500 und der Dax ja tatsächlich die schlechtesten ersten Halbjahre seit 1962, 1970 und 2008 zu verzeichnen. Und die Nasdaq sogar das schlechteste ever.
Doch irgendwie kriegt das keiner so richtig mit, habe ich das Gefühl. Andere Themen scheinen da wichtiger zu sein, zum Beispiel die Diversität und vor allem Ethik und Moral.
Diese Themen, so mein Eindruck, rücken immer mehr in das Zentrum des Denkens unserer „Eliten“. Und ich finde, das fühlt sich nicht richtig gut an. Es passt auch alles irgendwie nicht zusammen.
„Listen to the science“ sagen die Klimaschützer und kleben sich auf dem Asphalt der Autostraßen fest. Doch wenn dann eine Professorin an einer renommierten Berliner Universität darüber referieren will, warum die Biologie nur zwei Geschlechter kennt, muss diese Vorlesung aus Sicherheitsgründen abgesagt werden.
Es könnten schließlich Vertreter der Vielfalt etwas dagegen haben und zu rabiaten Mitteln greifen. Schließlich wird unsere Gesellschaft gerade umgruppiert, ver-rückt.
Hier liegt also die Wissenschaft anscheinend falsch. Hm, das ist schon ein merkwürdiger Befund.
Auf die eine wissenschaftliche Disziplin setzen wir unsere gesamte Zukunft, den Vertretern einer anderen verbieten wir jedoch den Mund. Das ist anscheinend die neue Konsequenz. Auch die Wissenschaft wird umgruppiert, wie damals, ver-rückt.
Und ansonsten: Wer arm ist, hat natürlich mehr Recht, in wirtschaftlichen Dingen gehört zu werden, als diejenigen, die über genug Geld verfügen. Wozu brauchen wir heute noch Unternehmen? Das Geld reicht doch zum Verteilen an die Armen.
Ich möchte allerdings über Politiker genauso ungerne schreiben wie über arabische Clans. Daher nur der folgende kurze Blick auf eine ver-rückte Gesellschaft, pars pro toto.
Bei mir in der Nähe ist ein See, an dem am Wochenende ein Schwimmer untergegangen ist. Oh weh, denke ich, als ich die Überschrift lese, denn wenige Tage vorher hatte man in unserer Failed Stadt Berlin noch gewarnt, dass die Feuerwehr und die Rettungsdienste hoffnungslos überlastet seien.
Aber was ist bei uns nicht überlastet, der Wohnungsmarkt ist überlastet, die Nerven sind überlastet, der Flughafen ist überlastet und sogar das Papier ist überlastet, weshalb es keine eigentlich notwendigen Neuwahlen geben kann, weil das Papier für die Stimmzettel fehlt.
Doch zurück zu dem Badeunfall. Jetzt schätzen Sie mal, ob hier die Feuerwehr oder ein Notdienst gekommen sind? Und wenn ja, mit wievielen Leuten? Es handelt sich wie gesagt um einen einzigen untergegangenen Schwimmer.
Die BZ meldete, es seien vor Ort gewesen: 34 Einsatzkräfte der Feuerwehr, 9 des DRK sowie 6 Mitarbeiter des DLRG, insgesamt also 49 Retter. Der untergegangene Schwimmer oder wohl besser Nichtschwimmer ist leider trotzdem gestorben. Hoffentlich nicht deswegen, weil die Retter sich gegenseitig auf die Flossen getreten sind.
So ist Berlin, und jetzt rechnen Sie das mal hoch und multiplizieren es mit der aktuellen Corona-7-Tages-Inzidenz, dann bekommen Sie ungefähr ein Maß für den inneren Zustand unseres Gemeinwesens. Es sind alle Maßstäbe ver-rückt.
Im Grunde können wir ja froh sein, dass bei uns Waffen noch nicht öffentlich verkauft werden dürfen und man sich zudem in den sozialen Medien nicht gegenseitig erschießen kann, ansonsten sähe alles ja noch viel verheerender aus.
Dagegen finde ich, wie gesagt, das Geschehen an den Börsen eigentlich relativ vernünftig. Und das Kursniveau erstaunlich hoch. Doch verkaufen geht nicht, wer weiß, was unserem Geld wird?
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******
Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. SIEBENTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2021, 635 Seiten, 22 Euro
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In Kleists Drama "Penthesilea" geht es um den Konflikt zwischen einem gefühlsintensiven Individuum und der gesellschaftlichen Ordnung, die diesen Gefühlen entgegensteht. Penthesilea, die Königin der Amazonen, erobert im Kampf Männer, um sie zur Zeugung neuer Kriegerinnen mitzunehmen. Nach vollzogenem Zeugungsakt entlässt sie die Männer wieder in die Freiheit. Nur ihrem Geliebten stellt sie nach, was diesen letztlich sein Leben kostet. Kann es sein, dass ich in meinem Leben mehrmals nur haarscharf an vielem aus dieser Tragödie vorbeigeschrappt bin? Und dann ist ja auch noch Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist nur unweit meiner Wohnung freiwillig aus dem Leben geschieden.
Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt am wunderschönen grünen Rand seiner ansonsten mittlerweile ungeliebten Heimat Berlin. Die vorangegangenen sechs Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019 und 2020.
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