Von Thomas Grüner
Das dritte Quartal startete für Anleger zunächst sehr versöhnlich, doch die wiederaufkeimende negative Volatilität hat die Stimmung gleich wieder deutlich gedämpft. Deshalb fragen sich viele Investoren nun, ob diese Sommerrallye nachhaltigen Charakter besitzt und einen Wendepunkt der diesjährigen Entwicklung darstellt oder es sich dabei eher um ein kürzeres Unterfangen handelt.
Eine Frage der Perspektive
Um die Antwort auf diese Frage zu finden, vergleichen viele Marktteilnehmer die Entwicklung der vergangenen zwei Monate mit früheren Erholungsbewegungen. Ein verständlicher Impuls, denn frühere Aufschwünge können tatsächlich auch ein Gefühl dafür vermitteln, was wahrscheinlich ist und die Erwartungshaltung steuern. Doch die Perspektive sollte um die Frage nach dem „Warum“ erweitert werden. Wie waren die allgemeinen Bedingungen während dieser Aufschwünge? Welche Gemeinsamkeiten gab es in Bezug auf die Stimmung und was waren die wirtschaftlichen Antriebskräfte? Entscheidende Fragestellungen, denn tatsächliche Wendepunkte lassen sich immer nur im Nachhinein erkennen und die Beschäftigung mit ihnen kann zu kurzsichtigem Verhalten führen.
Positives wird ignoriert
In der Regel beginnen Erholungen dann, wenn eine schlechte Stimmung vorherrscht. Dabei ist unter Anlegern eine Art „Pessimismus des Unglaubens“ verbreitet, bei dem alle Nachrichten tendenziell eher als negativ eingestuft werden. Positive Entwicklungen werden übersehen oder größtenteils ignoriert. In einem solchen Umfeld müssen wirtschaftliche Fundamentaldaten nicht unbedingt hervorragend sein, damit die Märkte steigen. Im Gegenteil: schwache Fundamentaldaten sind in einem solchen Umfeld immer noch besser als das, was die meisten erwarten. Dieses Überraschungspotential bietet Treibstoff für eine dynamische Entwicklung nach oben. Wenn alle mit einer Katastrophe rechnen und die Realität sich eben als „nur leicht schlecht“ darstellt, kann dies ausreichen, um einen nachhaltigen Aufschwung zu bewirken.
Weiterhin negatives Stimmungsbild
Die Stimmung ist weiterhin sehr getrübt und die Wirtschaftsdaten sind uneinheitlich, aber im Allgemeinen besser als Prognosen für eine tiefe Rezession. Die diesjährige Abwärtsphase war vor allem von der Stimmung geprägt, und solche „Gefühle“ können sich auch schlagartig wieder ändern. Es ist dennoch auch möglich, dass die jüngste Erholung verpufft, wenn die Schauergeschichten aus diesem Jahr wieder hochkochen und die Stimmung der Anleger belasten – oder wenn die jüngste Abschwächung der Wirtschaftsdaten viel tiefer und breiter ausfällt als erwartet. Auch neue Ängste können aufkommen und die Stimmung weiter drücken.
Fazit: Der Silberstreif am Horizont ist jedoch, dass man Wendepunkte nicht unbedingt treffen muss. Der Reiz sich auf Wendepunkte zu konzentrieren ist zwar verständlich, aber auch kurzsichtig – und sie zu timen unmöglich. Kurzfristige Bewegungen der Aktienmärkte werden von der Stimmung bestimmt und unterliegen deshalb unvorhersehbaren Schwankungen. Die Konzentration auf einen extrem kurzen Zeithorizont kann Anleger allerdings verleiten, den Markt zu timen. Diese Denkweise ermutigt zu dem Versuch, den „perfekten“ Einstiegszeitpunkt zu finden – oder nach Ausreden für einen Ausstieg zu suchen. Anstatt sich aber auf einen möglichen Tiefpunkt zu fokussieren, sollte man den Blick in die Zukunft richten. Die Tatsache, ob es sich nur um eine vorübergehende Erholung handelt oder nicht, wird langfristig kaum entscheidend sein. Vielmehr kann die Nichtteilnahme an einem Bullenmarkt ein viel größerer Rückschlag sein. Eine stärkere negative Volatilität kann immer möglich sein und eine Erholung verläuft selten ganz reibungslos. Für langfristig orientierte Anleger kein Grund für Verunsicherung oder unüberlegten Aktionismus.
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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