Von Bernd Niquet
Die Lage mit dem Klima ist hoffnungslos. Doch ist sie auch ernst? Ich habe keine Ahnung.
Diese Woche gab es für mich ein erstaunliches Jubiläum. Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, da war ich 33 Jahre alt. Und das ist jetzt genau 33 Jahre her.
Das bedeutet, wenn ich einmal meine allerersten Lebensjahre ebenfalls als Mauerzeiten betrachte: Das Ende der Deutschen Teilung teilt mein Leben gerade genau symmetrisch in zwei Teile.
Ich bin also schon eine ganze Weile dabei. Doch habe ich je so ein Wetter wie jetzt im November erlebt? Und vorher im Oktober? Nein, ganz sicher nicht. So viel Sonne wie in diesem Herbst gab es früher in manchem Sommer nicht.
Ich stehe ja heute meistens bereits in der Nacht auf, weil ich dann besser arbeiten kann, da ist es jetzt 14 Grad warm. Das ist schon irritierend. Wo bin ich? Nur schnell wieder nach drinnen. Und wann hat es das letzte Mal richtig geregnet? Meistens wird der Regen heute vom Sturm einfach weggeblasen.
Die Klimaforscherin Friederike Otto hat geschrieben, wir wären jetzt die erste Generation, die ein deutlich anderes Wetter erlebt als noch unsere Eltern und Großeltern.
Als ich das gelesen habe, dachte ich: Genau das ist es! Unabhängig von allen Klimamodellen und Bohrkernen.
Aber es hat sich ja nicht nur das Wetter geändert. Der Kabarettist Christoph Sieber sagte vor kurzem, unser Problem seien nicht die Leute, die sich nichts kaufen können, sondern diejenigen, die glauben, dass alles käuflich ist.
Und ich weiß noch sehr gut, wie mein Großvater immer ganz selbstverständlich im Dunkeln die Treppe heruntergegangen ist, um Strom zu sparen. Und dass es einmal eine Zeit gab, als das Laub nicht mit fossiler Energie weggeblasen, sondern mit menschlicher Energie weggeharkt wurde.
Aber welcher Mensch hat heute noch Energie? Außer beim Reden natürlich.
Mich interessiert auch die Wissenschaft nicht mehr, ich nehme die Welt mit meinen eigenen Sinnesorganen wahr.
Wenn ich mit dem Fahrrad zum Einkaufen fahre, bin ich dort oft der Einzige mit dem Rad. Und wenn ich bei mir in der Gegend durch die Straßen laufe, sehe und höre ich, brumm, brumm, wie alle anderen eilig irgendwo hinfahren müssen.
Warum müssen die das? Und warum ich nicht?
Wenn ich fernsehe, gibt es nur die Wahl zwischen der Propaganda des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks oder von den kommerziellen Sendern aufgefordert zu werden, etwas zu kaufen.
„Hol dir dies und hol dir das.“ Wer mich allerdings ungefragt duzt, kommt sowieso auf eine schwarze Liste von Produkten, die ich niemals kaufen würde.
Und auf YouTube werden jetzt sogar die Videos für so einen Schnulli unterbrochen. Ich denke, hier liegt die Wurzel.
Früher sind meine Freunde und ich oft ohne Geld aus dem Haus gegangen, denn in der Natur braucht man doch kein Geld. Heute ginge das gar nicht mehr. Hier liegt auch die Wurzel.
Wenn wir jedoch diese Wurzel ausreißen, dann ist mit allem Schluss. Die Lage ist also hoffnungslos.
Und was sagt der Ernst dazu? Ich weiß es nicht, der Ernst sagt doch sowieso nichts mehr.
Ich denke jedoch, das Leben wird auch so weitergehen. Komisch nur, dass alle über das Klima reden, doch niemand über das sprunghafte Ansteigen der Weltbevölkerung.
Wir werden nicht nur immer blöder, sondern vor allem immer mehr.
Und Deutschland ist richtig putzig. Eine kleine Maus, die mit ihrem Selbstmord die großen Tiere von ihrem Fressdrang abhalten will.
Wir sind schon irgendwie ein lustiger Planet. Hoffentlich gibt es nicht noch irgendwo anders im All solche Idioten wie uns. Sonst müssen wir bald auch noch das Weltall retten.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******
Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. SIEBENTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2021, 635 Seiten, 22 Euro
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In Kleists Drama "Penthesilea" geht es um den Konflikt zwischen einem gefühlsintensiven Individuum und der gesellschaftlichen Ordnung, die diesen Gefühlen entgegensteht. Penthesilea, die Königin der Amazonen, erobert im Kampf Männer, um sie zur Zeugung neuer Kriegerinnen mitzunehmen. Nach vollzogenem Zeugungsakt entlässt sie die Männer wieder in die Freiheit. Nur ihrem Geliebten stellt sie nach, was diesen letztlich sein Leben kostet. Kann es sein, dass ich in meinem Leben mehrmals nur haarscharf an vielem aus dieser Tragödie vorbeigeschrappt bin? Und dann ist ja auch noch Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist nur unweit meiner Wohnung freiwillig aus dem Leben geschieden.
Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt am wunderschönen grünen Rand seiner ansonsten mittlerweile ungeliebten Heimat Berlin. Die vorangegangenen sechs Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019 und 2020.
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