Von Thomas Grüner
Der US-Inflationsbericht für den Monat November konnte die Marktstimmung tendenziell aufhellen, dennoch richteten sich kritische Blicke auf die Kerninflation. Diese ging im Jahresvergleich zwar leicht auf 6,1 Prozent zurück, allerdings fielen auf Monatssicht nur die Kerngüterpreise um 0,4 Prozent – Kerndienstleistungen stiegen um 0,4 Prozent an. So entstehen neue Befürchtungen, dass Dienstleistungspreise die Inflation auf einem hohen Niveau fixieren und die Fed sich erneut zu kräftigen Zinserhöhungen genötigt sieht.
Dienstleistungen im Fokus
In der Tat liefern die US-Dienstleistungspreise keine schöne Momentaufnahme. Allerdings erreichte das Lohnwachstum im Dienstleistungssektor bereits vor fast einem Jahr seine höchste Dynamik, eine Verlangsamung war bereits vor den Zinserhöhungen der Fed zu beobachten. Diese Bewegungen hängen viel eher mit den Nachwirkungen der pandemiebedingten Turbulenzen zusammen – in der Sachgüterwirtschaft wurden sie bereits geglättet, im Dienstleistungssektor werden sie ebenfalls nachlassen.
Andererseits ist dies alles wahrscheinlich zweitrangig für die Verbraucherpreise für Dienstleistungen, da die Lohn-Preis-Spirale wie bei Sachgütern ebenso zum Mythos verkommt. Arbeit ist nur einer der Kostenfaktoren, die Dienstleistungsunternehmen bei der Preisgestaltung berücksichtigen müssen. Weitere Kosten sind Energie, Wasser, Telekommunikation, Gebäudeinstandhaltung, Immobilien, Hausmeisterdienste, Büromaterial und Ausrüstung. Restaurants müssen auch die Kosten für Lebensmittel einkalkulieren. Und die überwiegende Mehrheit dieser Kosten ist den Rohstoffpreisen, die sich das ganze Jahr über im Verbraucherpreisindex niedergeschlagen haben, weit nachgelagert.
Entspannung ist längst im Gange
Zuerst war die Entspannung in den Warenpreisen zu sehen, insbesondere in den Kategorien mit petrochemischen Rohstoffen. Dienstleistungen sind einfach nur ein paar Glieder weiter unten in der Lieferkette, so dass sie die Auswirkungen mit größerer Verzögerung zu spüren bekamen, weshalb die Dienstleistungsinflation hinter der Wareninflation „zurückgeblieben“ ist. Aber so wie sich die steigenden Rohstoffpreise auf der Warenseite der Wirtschaft bemerkbar machen, sollten sie sich auch bald auf die Dienstleistungen auswirken.
Wohlgemerkt, nichts davon bedeutet, dass wir die Theorie der „kostentreibenden Inflation“ unterschreiben. Inflation ist Inflation, und sie rührt daher, dass zu viel Geld für zu wenige Waren und Dienstleistungen ausgegeben wird. Wir weisen lediglich darauf hin, dass sich diese grundlegenden inflationären Kräfte in diesem Fall zunächst auf die Güterpreise ausgewirkt haben und dann auf die übrige Wirtschaft übergegangen sind. Das ist angesichts des Umfangs, der Tiefe, der Komplexität und der Dezentralisierung der US-Wirtschaft nicht ungewöhnlich.
Fazit: Zum jetzigen Zeitpunkt kann die Fed wenig Einfluss ausüben, denn die inflationsreduzierenden Kräfte sind längst am Werk und die Versorgungsengpässe, welche die Preise zu Beginn des Jahres in die Höhe trieben, haben nachgelassen. Dies lässt sich an den Warenpreisen, den Rohstoff- und Energiepreisen, den sinkenden Transitkosten und der starken Verlangsamung des Geldmengenwachstums ablesen. Die marktbasierten Inflationsindikatoren registrieren dies und liegen deutlich unter den Höchstständen zur Jahresmitte. Für Anleger zählt allerdings unter dem Strich: Was auch immer die US-Zentralbank durchführt oder sein lässt, für die Inflation bedeutet es wahrscheinlich nur sehr wenig.
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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