Von Thomas Grüner
Das EU-Verbot für die Neuzulassung von Autos mit Verbrennungsmotoren bis zum Jahr 2035 war über geraume Zeit ein kontroverses Thema, welches auch deutsche Anleger beschäftigt hat. Nun ist das Ende für neue Autos mit Verbrennungsmotor eine beschlossene Sache – mit der geplanten Ausnahme für Fahrzeuge, die mit E-Fuels betrieben werden.
Was ist das überhaupt?
E-Fuels werden hergestellt, indem Kohlenwasserstoffpartikel aus der Luft gesaugt und rehydriert werden, so dass ein Kraftstoff entsteht, der im Grunde die gleichen chemischen Eigenschaften wie raffiniertes Erdöl hat. Ziel ist es, diesen Prozess mit „sauberem Strom“ zu betreiben, sei es aus Wind, Sonne, Kernkraft oder neuartigen Technologien, um ihn so „grün“ wie möglich zu machen. Es würde keine Umstrukturierung der landwirtschaftlichen Produktion erfordern, wie es bei der Masseneinführung von Ethanol der Fall wäre. Ebenso würde es keine exponentielle Erhöhung der Stromnetzkapazität erfordern, wie es bei der Nutzung von 100 Prozent Elektrofahrzeugen der Fall wäre. Und es würde auch keine Steigerung des Kobaltverbrauchs erfordern, welcher mit ethischen und ökologischen Problemen verbunden ist. Es muss einfach nur ein echter Markt vorhanden sein.
Das nächste große Ding?
Eine Handvoll Start-ups beschäftigt sich mit der E-Fuels-Technologie und versucht herauszufinden, wie man sie in großem Maßstab kostengünstig herstellen kann. Viele Anleger sind aktuell auf der Suche nach dem nächsten großen Ding – und sollten dabei aus unserer Sicht vorsichtig sein. Denn gleichzeitig wirft die beschlossene Ausnahmeregelung die Frage auf, ob der langfristige Siegeszug der E-Autos dadurch ausgebremst wird. Gefährdet ein „heißes Thema“ also das nächste? Was kommt auf uns zu und was ist für die Mehrheit der Anleger noch nicht sichtbar? Wie könnte sich das Angebot und die Nachfrage nach E-Auto-Aktien – und den Autoherstellern insgesamt – in den nächsten fünf, zehn oder mehr Jahren verändern? Die kurze Antwort lautet: Niemand weiß es. Deshalb halten wir es nicht für ratsam, Portfolioentscheidungen auf unklare Erwartungen an die Klimapolitik zu stützen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Trends von heute die Trends der nächsten Jahre sein werden.
Eine ähnliche Geschichte
Erinnern Sie sich noch daran, als der Ölpreis 2008 in die Höhe schnellte und alle dachten, kleine Autos seien die Zukunft und große SUVs seien Geschichte? Der Schieferöl-Boom machte dem ein Ende. Dann rückten Elektroautos ins Rampenlicht, bevor deren Aktien in der negativen Phase des Jahres 2022 abstürzten. Jetzt könnten E-Fuels das Interesse an traditionellen und Hybridmotoren steigern. Und danach? Werden kobaltfreie Batterien den Ausschlag geben? Mini-Atomreaktoren, die die Stromnetze umgestalten und mit neuer Energie versorgen? Oder etwas anderes?
Fazit: Die Antwort auf all diese Fragen liegt in der großen Ungewissheit, weshalb es unserer Meinung nach nicht sinnvoll ist, bei Investitionsentscheidungen mehr als 30 Monate in die Zukunft zu blicken. Innerhalb der nächsten drei bis 30 Monate ist es möglich, Wahrscheinlichkeiten für die Entwicklung von Angebot und Nachfrage aufzustellen. Aber darüber hinaus gibt es zu viele Unbekannte an der Angebots- und Nachfragefront. Märkte bewegen sich auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeiten, nicht von Möglichkeiten. Anstatt also zu versuchen, langfristige Gewinner und Verlierer zu erraten, halten wir es für sinnvoller, sich für die absehbare Zukunft zu positionieren.
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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