Von Bernd Niquet
In dieser Woche war ich wieder einmal in meinem kleinen russischen Lebensmittelladen, weil ich unbedingt Schampanski, also Sovjetskoe Shampanskoe trinken und Rote-Beete-Salat und Trockenfisch essen wollte.
Am meisten liebe ich ja Krimsekt, doch mit Krimsekt ist es jetzt ja so eine Sache, denn derjenige, der traditionell Krimsekt heißt, kommt aus verständlichen Gründen gar nicht mehr von der Krim, doch letztlich schmeckt der russische rote Sekt auch nicht anders als der Krimsekt früher geschmeckt hat.
Es ist auf jeden Fall derzeit ziemlich kompliziert.
Und nicht nur hier sieht alles so völlig anders aus als in den Nachrichten.
Als ich unten im Regal schaue, gibt es von dem roten Sekt nur noch ein paar Flaschen aus Russland. Ich frage die nette Frau, ob sie denn noch eine neue Lieferung bekommen würden, und merke erst hinterher, was für ein Trottel ich doch bin.
Denn natürlich wird der russische Sekt unter die Sanktionen fallen. Mit ihm kann man schließlich auch heizen, sogar richtig schön einheizen.
Die Flaschen sind alle schon ziemlich verstaubt, sie standen dort also bestimmt schon vor dem Krieg, der es jedoch nicht verhindert, dass hier in diesem Laden Russen und Ukrainer arbeiten.
Krimsekt gibt es jedoch nicht mehr. „Alle wollen jetzt Krimsekt“, sagt die nette Verkäuferin und schüttelt voller Unverständnis den Kopf. Und ich muss für mich selbst feststellen, dass es anscheinend immer mehrere Wirklichkeiten gibt.
Das Gleiche ist mir auch vorher schon in einem anderen Kontext aufgefallen, und plötzlich denke ich, zumindest hierfür eine Lösung dafür gefunden zu haben. Da habe ich nämlich mit jemandem korrespondiert, der wirklich absolut null Ahnung von der Energieproblematik in unserer Industrie hatte, aber vehement den Standpunkt vertreten hat, es gebe hier keinen Grund zur Sorge.
Angeführt hat er dazu auch den Dax, der ja fast auf einem historischen Höchststand notiert. Gibt es hier also auch mehrere Wirklichkeiten und Wahrheiten? Es scheint fast so.
Die These, dass der Markt derzeit irrt und einen irrationalen Überschwang zeigt, scheint mir jedoch zu billig zu sein.
Dann jedoch überlege ich mir das Folgende: Vielleicht notiert der Dax deswegen so hoch, weil die Strategie der Unternehmen honoriert wird, sich konsequent aus Deutschland zu verabschieden.
Will sagen: Die Unternehmen denken sich, soll das Land nur ruhig untergehen, wenn es das will, wir verabschieden uns!
Die meisten Dax-Unternehmen sind ja sowieso nur noch formal deutsche Unternehmen und verlagern immer mehr Tätigkeiten ins Ausland. Und einige sind nicht einmal mehr rechtlich deutsch.
Hierzu stoße ich dann auch zufällig gerade passend beim Überarbeiten des nächsten Teils meiner Buchreihe „Jenseits des Geldes“ auf einen Absatz, in dem ich festgehalten habe, was Hans A. Bernecker von „Die Actien-Börse“ im Jahr 2021 gesagt hat.
Erst dadurch wird mir jetzt deutlich, wie das grüne Desaster bei uns mit den hohen Aktienkursen zusammenhängt.
Bernecker vertrat schon damals eine interessante These, denn er meinte, wir stünden derzeit vor einem Totalumbau unserer Wirtschaft, denn ab jetzt werde alles Klima. Alle wichtigen Innovationen würden von nun an das Thema Klima betreffen. Es seien hier auch bereits unglaubliche Umwälzungen zu beobachten, denn ein großer Konzern wie RWE trenne sich vollkommen von der Kohle und lenke alle Investitionen nach Asien ins Klimageschäft. Und das würde eine völlig neue Dimension ausmachen, dort spiele jetzt die Musik, Europa sei hier bereits weg.
Wahrscheinlich ist es also gar nicht schlecht, dass der Krimsekt jetzt aus ist. Denn vielleicht haben war ja kurz vor dem Abgrund noch Grund dazu, einen richtigen Schampus aufzumachen.
Und was trinkt man eigentlich in Asien beim Feiern?
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******
Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. ACHTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2022, 632 Seiten, 23,50 Euro
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Kann man eigentlich durch einen Wohnungsumzug jünger werden? Vielleicht. Und gibt es so etwas wie einen Sinn des eigenen Lebens? Oder Dinge, die die Seele noch vor dem Tod zu erledigen hat? Schon schwieriger. Dabei hatte Goethe doch bereits den Chor der Engel singen lassen, dass derjenige, der sich immer strebend bemüht, erlöst werden kann. Die wichtigste Frage im Leben lautet dann aber wohl doch, was denn nun erfolgreicher weiterhilft, die eigene Intuition oder wissenschaftliche Erkenntnisse?
Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die vorangegangenen sieben Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020 und 2021.
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