Von Thomas Grüner
Der Pessimismus ist nach wie vor weit verbreitet, aber die Marktstimmung verbessert sich. Dieses Resümee lässt sich aus den jüngsten Stimmungsumfragen ziehen, deren Ergebnisse sich im bisherigen Jahresverlauf sukzessive aufgehellt haben – genau so, wie wir es neun Monate nach Beginn eines neuen Bullenmarkts auch erwarten würden.
Schlechte Stimmung in Europa
Blicken wir zuerst auf Europa, wo sich die schlechte Stimmung besonders hartnäckig präsentiert. Das Marktforschungsunternehmen Sentix vermeldete düstere Erwartungen für die Eurozone, deren Wirtschaftsindex im Juli den dritten Monat in Folge auf den niedrigsten Stand seit November 2022 fiel, als die Angst um die Energiesicherheit dominierte. Sentix führte den Rückgang auf „rezessive Umstände“ und wenige Anzeichen für eine bevorstehende Verbesserung zurück – und bezeichnete die Situation in Deutschland ausdrücklich als „dramatisch schlecht“. Das ZEW-Institut meldete ein ähnliches Ergebnis und stellte fest, dass das Vertrauen der deutschen Anleger im Juli gesunken ist. Der Erwartungsindex sank von -8,5 im Juni auf -14,7, aufgrund steigender globaler Zinssätze und einer schwachen Exportnachfrage aus China, die insbesondere eine Belastung für den deutschen Industriesektor darstellt.
Etwas bessere Stimmung in den USA
In den USA erreichte der vielbeachtete Index zur Verbraucherstimmung der University of Michigan im Juli 72,6 Punkte, nachdem er im Juni noch bei 64,4 Punkten gelegen hatte – der zweite monatliche Anstieg in Folge und deutlich über den Konsensschätzungen von 65,5 Punkten. Der Juli-Wert war der höchste Wert seit September 2021 und der größte monatliche Anstieg seit 2006. Alle zugrundeliegenden Komponenten verbesserten sich, angeführt von einem sprunghaften Anstieg des langfristigen Geschäftsklimas, der in der Umfrage auf die anhaltende Verlangsamung der Inflation und einen widerstandsfähigen Arbeitsmarkt zurückgeführt wurde. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die US-Verbraucher überglücklich sind. Die vorläufige Schätzung für Juli liegt immer noch weit unter dem Niveau vom Februar 2020, kurz vor Ausbruch der COVID-Pandemie, auch im Vergleich zu den vergangenen 20 Jahren ist die Stimmung weiterhin relativ eingetrübt.
Nur eine Momentaufnahme
Die Stimmung verbessert sich, vorwiegend außerhalb Europas – aber in absoluten Zahlen sind wir von einem breit angelegten Optimismus weiterhin weit entfernt. Es ist zudem nicht überraschend, dass gerade in Europa die sich verschlechternden Wirtschaftsdaten hartnäckigen Pessimismus erzeugen. Aber auch wenn schlechte Zahlen kurzfristig die Stimmung trüben, bieten die jüngsten Daten keine neuen Erkenntnisse für die Aktienmärkte, zumal Wirtschaftswissenschaftler schon seit mehr als einem Jahr die Aussicht auf eine tiefe Rezession in der Eurozone diskutieren – es sind die Überraschungen, die Aktienkurse am meisten bewegen.
Fazit: Aus unserer Sicht sind die Befürchtungen aus den jüngsten Stimmungsumfragen von den Aktienkursen bereits größtenteils verdaut worden, insbesondere konnten schwerwiegende Probleme wie die Inflation sukzessive aus dem Weg geräumt werden. Mit Sicherheit sind die wirtschaftlichen Bedingungen weltweit weiterhin schwierig, die Schlagzeilen werden jedoch tendenziell von „aufgewärmten“ Ängsten dominiert. Diese Tatsache legt nahe, dass der junge Bullenmarkt noch ein gutes Stück an der berühmten Mauer der Angst emporklettern kann. Fortdauernder Pessimismus sollte Anleger also nicht entmutigen – für die Dynamik einer frühen Bullenmarktphase ist er eher hilfreich.
Fragen zum Beitrag beantworte ich gerne per E-Mail an feedback@gruener-fisher.de.
Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.