Von Thomas Grüner
Ausgelöst durch die Hamas-Angriffe auf Israel wird der Nahe Osten einmal mehr zum Kriegsschauplatz, der menschliche Tragödien und schreckliche Bilder mit sich bringt. Es fällt schwer, bei derartigen Ereignissen eine marktbezogene Analyse in den Fokus zu rücken, aber wie so oft drehen sich die Schlagzeilen eben auch um die wirtschaftlichen Auswirkungen. Anleger werden vor allem von der Sorge umgetrieben, was mit den Energiepreisen und den Märkten im Allgemeinen passieren wird.
Märkte bleiben langfristig cool
In solchen Zeiten ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren. Die erste Reaktion der Märkte auf die Eskalation fiel gedämpft aus. Erdöl- und Erdgaspreise sind gestiegen, aber weit von den Höchstständen entfernt, die sie nach der russischen Invasion in der Ukraine im vergangenen Jahr erreicht hatten – oder sogar von den Höchstständen des vergangenen Monats. Aus globaler Sicht ist nicht zu erwarten, dass die Rohstoffkreisläufe durch den Nahostkonflikt erheblich gestört werden, auch wenn natürlich regionale Probleme auftreten können.
Höhere Volatilität voraus
In Bezug auf die globalen Aktienmärkte ist eine erhöhte Volatilität wahrscheinlich, aber wir glauben nicht, dass dieser Konflikt den jungen Bullenmarkt beenden wird. Die Ungewissheit, sobald ein Konflikt eskaliert, kann die Stimmung stark belasten. In der Regel wägen Aktienmärkte zügig die gesamten Auswirkungen für den globalen Handel ab, stellen fest, dass sie vernachlässigbar sind und bewegen sich weiter. Diese Eigenschaft hat es Aktienmärkten seit jeher erlaubt, sich langfristig kalt und emotionslos über unzählige Konflikte hinwegzusetzen. Die übergeordnete Entwicklung der Aktienmärkte hängt letztendlich immer von den globalen wirtschaftlichen Bedingungen ab.
Eingeschränkte Auswirkungen
Damit sich der Nahostkonflikt wirklich signifikant auf die Märkte auswirkt, müsste er wahrscheinlich auf einen wesentlich größeren Schauplatz übergreifen. Ein Grund dafür, dass der Krieg in der Ukraine im vergangenen Jahr ungewöhnlich große Auswirkungen auf die Märkte hatte, war die Drohung einer Beteiligung der NATO und das Risiko einer direkten kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Atommächten. Aus unserer Sicht hätte dies allein jedoch auch nicht genügt, um die globalen Aktienmärkte in einen Bärenmarkt zu treiben, der sich bekanntermaßen im vergangenen Jahr ereignet hat. Dieser war das Resultat daraus, dass Anleger mit einer Vielzahl verschiedener, sich überlagernder Ängste konfrontiert wurden – darunter Inflation, Energieknappheit, Zinserhöhungen der Fed, Rezessionsprognosen, Lieferkettenprobleme, Chinas Wirtschaft und vieles mehr. Heute sieht die Lage ganz anders aus, mehrheitlich haben Anleger die meisten der brisanten Themen des vergangenen Jahres hinter sich gelassen.
Daher halten wir es für unwahrscheinlich, dass die Eskalation im Nahen Osten die Stimmung so stark beeinflussen wird wie der Russland-Ukraine-Krieg. Das könnte sich ändern, wenn weitere Länder mit hoher wirtschaftlicher Relevanz in den Konflikt hineingezogen werden – dieses Ergebnis halten wir aktuell allerdings für unwahrscheinlich.
Fazit: Wie so oft ist es für langfristig orientierte Anleger wichtig, in schwierigen und turbulenten Phasen mit Ruhe zu agieren. Aktienmärkte besitzen die Fähigkeit, sich langfristig emotionslos über regionale Konflikte hinwegzubewegen. Wer langfristig aktienähnliche Renditen erreichen will, muss in Bullenmarktphasen investiert sein. Und die Aktienmärkte werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch den aktuellen Nahostkonflikt überwinden können.
Fragen zum Beitrag beantworte ich gerne per E-Mail an feedback@gruener-fisher.de.
Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.