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Rückkehr der Euro-Krise?

Freitag, 1. Juni 2018 um 08:30

Von Thomas Grüner
Das politische Drama in Italien beherrscht die Schlagzeilen, vor allem die europäischen Aktienmärkte reagieren nervös. Die Zinsen italienischer Staatsanleihen steigen sprunghaft an, während in den restlichen entwickelten Ländern das Zinsniveau eher fällt – eine deutliche Fluchtbewegung ist erkennbar. Vergessen sind die Sorgen um Strafzölle, Überbewertungen der Märkte und Zentralbankpolitik: Die Schreckgespenster der Euro-Krise feiern ihre Wiederauferstehung! Zeit für eine rationale Standortbestimmung.

Pattsituation ist nicht schlimm

Trotz erhöhter Unsicherheit hat sich die fundamentale Situation in Italien durch die jüngsten Vorkommnisse nicht verändert, weder auf wirtschaftlicher noch auf politischer Ebene. Das Land befindet sich immer noch in einer ausgeprägten politischen Pattsituation. Auch wenn Neuwahlen anstehen, bleibt die Wahrscheinlichkeit eines politischen Umbruchs extrem gering. Es müsste sich eine populistische Regierung ausbilden (was allein schon unwahrscheinlich ist), die genug politische Durchschlagskraft entwickelt, den Euro-Ausstieg tatsächlich voranzutreiben – was innerhalb des politischen Systems nahezu unmöglich erscheint. Bedenken Sie: Eine instabile Regierung hat in Italien sozusagen Tradition.

Unsicherer Verlauf

Wer zum jetzigen Zeitpunkt über mögliche politische Konstellationen und Personalentscheidungen debattiert, könnte durch neue Entwicklungen schnell widerlegt werden. Viel wichtiger ist und bleibt die Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit für einen baldigen Ausstieg Italiens aus der Währungsunion sehr gering ist. Um diese zu verlassen, müsste die italienische Verfassung geändert werden – hierfür ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament erforderlich. Es ist mehr als fraglich, ob eine „Italexit“-Maßnahme auf eine derart breite Zustimmung treffen würde. Zudem ist die „Anti-Establishment“-Haltung der Fünf-Sterne-Partei gar nicht universell „Anti-Euro“. Den jüngsten Umfragewerten zufolge beträgt die Zustimmung der italienischen Bevölkerung zur europäischen Gemeinschaftswährung immer noch rund 50 Prozent.

Viele italienische Bürger haben bereits jetzt gemerkt, dass ein plötzlicher Ausstieg aus der Währungsunion und die darauffolgende Abwertung der eigenen Währung mit schmerzhaften Folgen verbunden sein würde – mehr als zwei Drittel der hohen italienischen Staatsverschuldung wird von Inländern getragen. Wenn also die Neuwahlen als „Referendum für den Verbleib in der Eurozone“ interpretiert werden, dürfte das Gegenwind für die populistischen Parteien bedeuten.

Trübe Stimmung in Europa

Die scharfe und emotionale Reaktion auf das italienische Chaos verdeutlicht, dass die Anlegerstimmung bezüglich Europa immer noch sehr eingetrübt ist. Es braucht nicht viel, um die Alpträume aus 2011 wieder zum Leben zu erwecken. Dabei übersehen viele Marktbeobachter, dass die Refinanzierungssituation für Italien trotz des Anstiegs der Zinsen immer noch relativ entspannt ist. Im italienischen Schuldenportfolio befinden sich nach wie vor zahlreiche Anleihen, die noch die „wirklich hohen“ Zinsbelastungen früherer Jahre in sich tragen. Auch bei weiteren Zinsanstiegen ist immer noch Spielraum vorhanden, durch Neuemissionen die Zinslast auf das Gesamtportfolio nach unten zu drücken.

Fazit: Durch das italienische Chaos ist die „Mauer der Angst“ in Europa wieder angewachsen. Falsche Ängste können sich sukzessive verflüchtigen, wenn Anleger merken, dass weder die Mitgliedschaft Italiens in der Eurozone noch die Existenz der Eurozone als Ganzes vor einem unmittelbaren Zusammenbruch stehen.

Fragen zum Beitrag beantworte ich gerne per E-Mail an feedback@gruener-fisher.de.

Thomas Grüner
ist Firmengründer und Chief Investment Officer der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.


Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.

 

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