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Das Anti-Twitter

Donnerstag, 5. Dezember 2019 um 14:04

Von Bernd Niquet

Der US-Präsident Donald Trump kann mit einer Twitter-Nachricht die Welt verändern. Dazu stehen ihm ganze 280 Zeichen zur Verfügung. Und die reichen auch. 280 Zeichen – und plötzlich ist nichts mehr wie es vorher war.

Bei Trumps Amtsantritt im Januar 2017 sind es sogar nur 140 Zeichen gewesen. Trump hat also während seiner Amtszeit seine Macht verdoppelt, aber nein, so kann man natürlich nicht rechnen. Die meisten Statements von Trump kommen sogar mit weniger Zeichen aus. Und Macht ist nicht an Quantität gebunden.

Gerade ist ein neues Buch von mir erschienen, der fünfte Teil meiner Serie „Jenseits des Geldes“. Es hat deutlich mehr als 1,6 Millionen Zeichen. Dieses Buch ist also ein komplettes Anti-Twitter. So dachte ich jedenfalls.

An dieser Stelle kommt nämlich der Moment, an der meine Kolumne völlig anders läuft als ich mir das vorher gedacht habe. Doch warum sollte ich mich darauf nicht einlassen?

Als ich nämlich ausrechne, wieviele Twitter-Nachrichten ich benötigte, um dort mein Buch unterzubringen, komme ich auf die überraschend geringe Zahl von nur 6.000. Wohingegen Trump, wie ich lese, bisher bereits 46.600 Tweets abgesetzt hat. Das ist ja weit mehr als alle fünf Bände von „Jenseits des Geldes“ zusammen.

Ich kann mich also weder mit Trump vergleichen noch mich gegen ihn stellen. Und das ist schon eine ziemlich missliche Position. Denn eigentlich wollte ich hier ein Gegenstück aufbauen.

Plötzlich komme ich jetzt auch auf den Gedanken, dass sicherlich sämtliche Schriftsteller, die mit ihren Büchern auf der jährlichen Shortlist für den Deutschen Buchpreis stehen, in diesen Büchern zusammengenommen weit weniger geschrieben haben als Donald Trump auf Twitter.

Leider – oder zum Glück – habe ich selbst keinerlei Ahnung von Twitter und in meinem Leben noch keinen Twitter-Beitrag geschrieben. Gerade habe ich die Auseinandersetzungen um meinen Lieblingsjournalisten Don Alphonso mitbekommen, wie es da auf Twitter zur Sache geht, doch ich verstehe es nicht wirklich, wer da wem folgt und was es für die betroffenen Leute letztlich bedeutet, wenn diejenigen, denen sie folgen, bestimmte Tweets retweeten.

Hängt man da also gleichsam mit Leib und Seele an denen, die man gerne liest? Und wird schließlich wie im Mittelalter mit diesen zusammen dann später einmal aufgeknüpft? Im Grunde genommen interessiert mich das allerdings gar nicht, schließlich ist ja niemand gezwungen, zu twittern.

Mir hat meine Unwissenheit allerdings eine köstliche Ruhe beschert. Denn wenn ich an manche Kommentare in machen Boards zu meinen Kolumnen denke, Mannomann! Aber ich muss das ja nicht lesen und tue es auch seit vielen Jahren nicht mehr.

Wenn also meine Bücher schon keine Anti-Twitter sind, weil sie sich letztlich ja genauso wie die Twitter-Accounts aus nahezu unendlichen vielen und nur locker miteinander verbundenen Einzel-Flüsterungen zusammensetzen (was mir jedoch gerade erst jetzt beim Schreiben klar wird), so bin doch wenigstens ich selbst durchaus ein Anti-Twitter. Und stolz darauf.

Wenn Sie diese Kolumne bis hierher durchgehalten haben, könnten Sie ja vielleicht, wenn Sie sich das nächste Mal in das stille Kämmerlein zurückziehen, um dort die ganzen Tweets zu lesen, die man eigentlich offiziell gar nicht lesen darf, einmal mein neues Buch mitnehmen.

Aber nein, das machen Sie ganz sicher nicht. Und irgendwie ist mir das eigentlich auch gar nicht unlieb, wie man sicher deutlich merkt, wenn man sich das Buch einmal genauer anschaut.

 

Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet

 

******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******

Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. FÜNFTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2019, 624 Seiten, 22 Euro

Am besten portofrei direkt beim Verlag bestellen: www.engelsdorfer-verlag.de

oder bei Amazon


 

Bernd Niquet und die Flüchtlingskrise. Die Geschichte von Bernd Niquet ist mittlerweile in den Jahren 2015 und 2016 angekommen. Das ist die Zeit des massenhaften und ungehinderten Zustroms von Flüchtlingen nach Deutschland. Die Hauptfigur der Ereignisse muss jetzt nicht mehr wie vorher nur die Lasten seines eigenen Lebens und seiner familiären Verhältnisse schultern, sondern sieht sich darüber hinaus gezwungen, aus sich selbst herauszutreten und sich ganz grundsätzliche weiterführende Gedanken zu machen.

»Immer, wenn die große Mittelmacht auf dem europäischen Kontinent verrückt spielt, resultieren daraus immense Verwerfungen. Wird der wirtschaftlichen Nord-Süd-Teilung zur Eurorettung jetzt auch noch eine kulturelle Ost-West-Spaltung zur Flüchtlingsrettung hinzugefügt? Denn das hieße ja nichts anderes als die bildliche Kreuzigung unseres Kontinents.«

Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und lebt trotz seines Umzugs im vergangenen Jahr weiterhin im selben ruhigen Außenbezirk von Berlin. Die ersten vier Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2018.

Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.

 

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