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Gilt das auch für mich?

Donnerstag, 9. Juli 2020 um 13:10

Von Bernd Niquet

Spannend finde ich es immer, wenn man ganz generell aufgestellte und vermeintlich für alles und alle geltende Thesen einmal auf sich selbst bezieht. Früher habe ich das oft mit psychologischen Thesen getan, heute mache ich das mal mit den Finanzen.

Wenn ich mir mein persönliches Depot anschaue, muss ich sagen, dass es durchaus erfreulich aussieht. Und es bestätigt eigentlich alles, was ich so lese. Die Aktien stehen gut, ich bin durch die Krise nicht ärmer geworden, doch ich besitze eine Menge Cash, bei der es sich wirklich um einen Anlagenotstand handelt.

Habe ich das jetzt dem Draghi-Brunnen und der Christinen-Quelle zu verdanken? Haben die mir das Geld zugeschanzt?

Ich bin durchaus ein Spiegel der Geldpolitik der EZB, das sehe ich und frage mich daher, ob meine gegenwärtige Anlagestruktur letztlich das Resultat meiner eigenen Entscheidungen ist oder mich der nette Herr Draghi und seine Nachfolger-Christine da hineinmanövriert haben?

Die Antwort ist nicht leicht und ich denke, sie lautet: Jein.

Die Vermögensanlage in der gegenwärtigen Zeit ist schon eine verrückte Sache. Aktien sind sicherlich Trumpf, doch ich besitze derzeit eine Aktienquote von 57 Prozent, die nach Kostolany einem Anleger im Alter von 43 Jahren entspricht. Da liege ich also bereits 20 Prozent zu hoch und kann an eine Aufstockung eigentlich nicht mehr denken.

Doch was dann? Gold habe ich, doch das Einzige, was ich nicht habe, sind Bonds. Industrieanleihen kaufe ich generell nicht und Staatsanleihen guter Bonität sind nicht nur zinslos wie das Geld auf dem Konto, sondern haben sogar eine negative Rendite.

Außerdem gibt es so gut wie gar keine Bundesanleihen mehr zu kaufen. Der Markt ist tot, weil niemand mehr etwas herausgibt. Und der Rest lagert sicherlich im Christinen-Tresor. Und was unser Finanzminister da bald emittieren wird, das werde ich nicht kaufen, denn das werden Zerobonds, die man über pari emittiert.

In dieser Hinsicht bin ich also gelenkt von der EZB. Meinen Cashbestand hat mir zwar niemand zugespielt, den habe ich auch leider nicht geschenkt bekommt, aber er ist das Resultat von Anlage-Unmöglichkeiten.

Insgesamt ist das jedoch eine äußerst erfreuliche Angelegenheit. Denn ich habe lieber Anlagenotstand als Liquiditätsengpässe oder gar Pleiteängste. Von mir aus kann es daher durchaus ein Christinen-Weiter-So geben.

Und was war da jetzt mit der Psychologie? Im Grund genommen ist es ganz einfach und gilt für alle Gesetze des menschlichen Handelns. Werden diese nämlich denen bekannt, für die sie gelten sollen, können sie durch die schlichte Tatsache falsch werden, indem man sich bewusst anders verhält als das behauptet wird.

So etwas kann man aus reinem Daffke machen, um jemandem eine lange Nase zu ziehen. Man kann sich aber auch aus sehr rationalen Motiven bewusst konträr zu herrschenden Gesetzmäßigkeiten verhalten, um damit Geld zu verdienen.

Nehmen wir die aktuelle Gegenwart: Die Zeitungen berichten von kommenden Wirtschaftsabschwüngen und Pleitewellen, was eigentlich in sinkenden Aktienkursen resultieren müsste, doch die Aktien sind fest. Die Mehrheit der Anleger glaubt also nicht die Theorie sinkender Aktienkurse und verhält sich bewusst anders. Dadurch wird die Theorie falsifiziert.

Ich habe sogar eine Idee, warum das so sein könnte. Weil das umlaufende Geld immer reichlicher wird, erweisen sich Aktien im Vergleich dazu als zunehmend knapp. Deswegen drängen immer mehr Anleger in die Aktien hinein, was ihnen jedoch nur dadurch gelingen kann, indem sie die Kurse so weit hochtreiben, bis die bisherigen Halter der Aktien so zufrieden mit ihren Verkaufskursen sind, dass sie einverstanden sind, von nun an das vergleichsweise unattraktive Bargeld zu halten.

Und vielleicht passiert das alles völlig ohne den Blick auf die Ertragslage der Unternehmen in der unmittelbaren Zukunft. Wahrscheinlich sogar.

 

Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet

 

******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******

Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. FÜNFTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2019, 624 Seiten, 22 Euro

Am besten portofrei direkt beim Verlag bestellen: www.engelsdorfer-verlag.de

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Bernd Niquet und die Flüchtlingskrise. Die Geschichte von Bernd Niquet ist mittlerweile in den Jahren 2015 und 2016 angekommen. Das ist die Zeit des massenhaften und ungehinderten Zustroms von Flüchtlingen nach Deutschland. Die Hauptfigur der Ereignisse muss jetzt nicht mehr wie vorher nur die Lasten seines eigenen Lebens und seiner familiären Verhältnisse schultern, sondern sieht sich darüber hinaus gezwungen, aus sich selbst herauszutreten und sich ganz grundsätzliche weiterführende Gedanken zu machen.

»Immer, wenn die große Mittelmacht auf dem europäischen Kontinent verrückt spielt, resultieren daraus immense Verwerfungen. Wird der wirtschaftlichen Nord-Süd-Teilung zur Eurorettung jetzt auch noch eine kulturelle Ost-West-Spaltung zur Flüchtlingsrettung hinzugefügt? Denn das hieße ja nichts anderes als die bildliche Kreuzigung unseres Kontinents.«

Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und lebt trotz seines Umzugs im vergangenen Jahr weiterhin im selben ruhigen Außenbezirk von Berlin. Die ersten vier Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2018.

Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.

 

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