Von Bernd Niquet
Derzeit ist an den Devisenmärkten Merkwürdiges zu beobachten. Die USA bekommen einen neuen Präsidenten, der sicherlich auch viele Wirtschaftsleute aufatmen lässt, in den USA gibt es im Vergleich zum Euroraum noch Zinsen auf Staatsanleihen und das Wachstum in den USA ist deutlich besser als bei uns. Trotzdem fällt der Dollar gegenüber dem Euro.
Woran kann das liegen? An der Geldpolitik, der Finanzpolitik und den sonstigen Situationen in beiden Wirtschaftsräumen wohl eher nicht, denn die sind gleich chaotisch. Das Geld wird geschöpft so schnell es geht und die Staatshaushalte verschulden sich, als gäbe es kein Morgen.
Also was ist los? Ich habe lange überlegt, ohne eine Antwort zu finden. Jetzt bin ich jedoch bei Henrik Müller bei Spiegel-Online auf eine interessante Idee gestoßen. Seine These ist es, dass die USA anfälliger für Inflation ist als die Eurozone.
Zwar sei derzeit von Inflation in den USA wenig zu sehen, doch in der Eurozone sind die Werte noch niedriger als in den USA. Und die Prognosen für die kommenden Jahre gehen davon aus, dass die Konsumentenpreise in den USA leicht schneller steigen. Das sehe zwar momentan nicht dramatisch aus, könne aber eben auch komplett anders kommen.
Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass derzeit tatsächlich die Inflationsängste in entscheidendem Maße Einfluss auf die Devisenkurse nehmen. Ich halte derartige Ängste jedoch für grundfalsch. Für mich ist es daher ein großer Fehler, die Furcht vor Inflation zum Wegweiser der eigenen Anlageentscheidungen zu machen.
Für mich sind Inflationsraten von ein oder zwei Prozent vernachlässigbar. Und eine signifikante Inflation kann es aus meiner Sicht nur in zwei Fällen geben:
(1) Wenn die Befürchtung aufkommt, dass die Währung wertlos wird oder ein Währungsschnitt kommt.
(2) Wenn es sich um abgeschottete Märkte handelt wie im Rahmen der Waren- und Kapitalverkehrskontrollen der Nachkriegszeit.
In beiden Fällen können und werden sich vergleichsweise hohe Inflationen ergeben, in allen anderen Situationen hingegen nicht. Ich glaube, das ist auch historisch gut belegt.
Schließlich ist da der internationale Konkurrenzmechanismus, der gleich auf zwei Seiten der Gleichung dazu führt, dass die Inflation nicht hochkommt. Einerseits bleiben die Löhne durch die internationale Konkurrenz niedrig und zweitens sind durch die Warenkonkurrenz deutliche Preissteigerungen ausgeschlossen.
Mit der Geldmenge hat das hingegen alles nichts zu tun. Geldmengenerhöhungen wirken auf die Assetpreise, aber nicht auf Konsumgüter. Da ist nur immer die Quantitätsgleichung und die Neoquantitätstheorie von Milton Friedman, die noch in den Köpfen der Ökonomen herumspukt. Und es wird bestimmt noch fünfzig oder hundert Jahre dauern, bis das aus den Köpfen heraus ist. Genauso wie die Überzeugung der Ärzte, man könne einen Patienten durch Aderlass kurieren, ebenfalls nahezu ewig gebraucht hat, aus den Köpfen zu verschwinden,
Position (2) oben steht sicherlich bombenfest in der globalisierten Wirtschaft. Und bei (1) mache ich mir derzeit ebenfalls keine Sorgen. Dazu muss ich nur sehen, was der sehr erfahrene Jens Ehrhardt gerade in einem Interview der WELT von sich gegeben hat:
Das Beste wäre, sagte er dort anlässlich der gegenwärtigen Schuldensituation, wenn man die Schulden, die bei der EZB liegen, einfach streichen würde. Damit wäre die Bilanz der EZB zwar negativ, aber das hätte keinerlei wirtschaftliche Folgen. Oder man müsse die Schulden einfach auf ewig verlängern, so wie es für Griechenland de facto schon gemacht wurde.
Recht hat er, finde ich. Der Rubikon ist ohnehin längst überschritten. Doch es gab damals und gibt heute ein Leben danach. Bilanzen kann doch heute ohnehin niemand mehr lesen. Warum sich daher also Sorgen machen, was dort (nicht) steht?
Ich selbst mache mir natürlich Sorgen, doch ich bin ja auch ein Sonderling, ein Eremit und Eigenbrötler. Die Menschen da draußen wissen hingegen nicht einmal, was die doppelte Buchführung ist. Warum sollten sie sich also Sorgen machen, wenn die Verantwortlichen durchweg sagen, dass alles in Ordnung ist?
Aus diesen Gründen bin ich fest der Meinung, dass wir sowohl im Dollar- als auch im Euroraum weiter in einem eher deflationären Szenario bleiben. Und kaufe mir daher jetzt US-Staatsanleihen. Das ist mir sicherer, als meine Liquiditätsreserve bei deutschen Banken zu halten.
******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******
Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. SECHSTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2020, 621 Seiten, 22 Euro
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Bernd Niquet und seine Tagebücher: „Der wirkliche Donnerschlag kommt dann mit Verzögerung. Auch braucht mein Inneres einige Zeit, um ihn zu realisieren. Doch als die Dinge dann klar sind und in mir sacken, mache ich etwas, was ich vorher beim Tagebuchschreiben noch niemals gemacht habe. Ich unterstreiche die wichtigen Passagen nicht wie sonst mit meiner blauen Tinte, sondern mit schwarzem Filzstift. Einunddreißig Jahre schreibe ich mittlerweile Tagebuch, das zeigt die Dimension. Hinterher bin ich selbst erschrocken. Das Tagebuch sieht jetzt aus, als sei jemand gestorben. Und in meinem Inneren fühlt es sich auch tatsächlich so an.“
Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und lebt in einem ruhigen Außenbezirk von Berlin. Die vorangegangenen fünf Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013, 2018 und 2019.
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