Von Thomas Grüner
Der Aktienmarkt bietet stets genügend Stoff für „spannende Geschichten“. So formiert sich beispielsweise im Internet eine Reihe von Kleinanlegern, um einzelne Aktien in die Höhe zu treiben und den bösen Hedgefonds eins auszuwischen. Cristiano Ronaldo entfernt zwei Flaschen Coca-Cola aus dem Sichtfeld der Kamera, wenig später gehen Schlagzeilen um die Welt, dass der US-Konzern dadurch 4 Milliarden an Börsenwert verloren hat.
Manipulation oder nicht?
Wir erleben gerade eine Zeit, in der sich viele Anleger neu für die Börse interessieren. Das liegt auf der Hand, denn einige Aktienindizes erreichen täglich neue Rekorde. Zudem hat sich der Aktienmarkt in der Rückschau erstaunlich immun gegen COVID-19 gezeigt. Zahlreiche neue Börsengänge versprechen zusätzliche Spannung. Nur: Welches Bild wird diesen neuen Anlegern eigentlich vermittelt, wenn die Schlagzeilen hauptsächlich aus Geschichten der Kategorie „Reddit“ oder „Coca-Cola“ bestehen? Es entsteht der Eindruck, dass diese leicht manipulierbaren Märkte vorwiegend ein geeignetes Umfeld für Spekulanten darstellen, nicht für diejenigen, die sich sorgfältige Gedanken um ihre Vermögensplanung machen. Das ist eine Fehleinschätzung!
So läuft es in der Medienwelt
Finanzmedien sind nun mal nicht mit einem Bildungsauftrag ausgestattet, es geht um Aufmerksamkeit und Klicks. Journalisten spielen mit der Sensationslust der Leser, sie legen es nicht auf die faktenbasierte Wissensvermittlung an. Wer selbst kein Vermögen verwaltet, dem kann es letzten Endes auch egal sein, ob die kundgetane Meinung den Faktencheck übersteht oder nicht. Denn wer nicht zur Verantwortung gezogen wird, der entwickelt auch kein Verantwortungsgefühl. Das ist alles legitim und völlig normal, nur sollten sich Aktienanleger eben nicht unreflektiert von den Finanzmedien leiten lassen. Für den Erfolg am Aktienmarkt ist es notwendig, sich eigenes, umfangreiches Fachwissen anzueignen. Aber wer ist dafür letztendlich verantwortlich? Richtig, es läuft nur über Eigeninitiative.
Lieber nichts von der Politik erwarten
Diese Eigeninitiative ist gefragt, gerade wenn die staatlichen Rentenkassen zunehmend unter Druck geraten und die vorausschauende, persönliche Vermögensplanung an Bedeutung gewinnt. Denn mit dem entsprechenden Fachwissen fällt es leichter, den Mehrwert der Aktienmärkte so weit zu erkennen, dass man sie guten Gewissens als Baustein für die persönliche Altersvorsorge verwenden kann. Wie wäre es also, das Thema „Finanzielle Bildung“ prominenter in den Bildungsplan zu integrieren? Wie wäre es mit einem Schulfach über „Finanzen und Börse“? Diese Gedanken sind naheliegend und dennoch weit von der Realität entfernt. Leider! Denn im Bereich der Bildungspolitik fehlt es den zuständigen Politikern naturgemäß an Finanzmarkt-Affinität. Dieser Dauerzustand ist weitaus bedenklicher, als bei Brot- und Benzinpreisen im Dunkeln zu tappen.
Fazit: Der Aktienmarkt ist nichts für Zocker – diese verlieren mehrheitlich Geld und sind schnell wieder aus der Aktionärsstatistik verschwunden. Der Aktienmarkt ist etwas für langfristig orientierte Anleger, die das Prinzip der Unternehmensbeteiligung und der Anteilhabe an zukünftigen Gewinnen verstanden haben. Wer sich eine solide finanzielle Bildung zulegt, erhöht seine Erfolgschancen erheblich! Dabei werden die Finanzmedien keine große Hilfe sein – weil das gar nicht ihr Auftrag ist. Und auf politische Impulse dürfte man ebenso vergeblich warten – weil die zuständigen Politiker die Materie selbst nicht verstehen (wollen).
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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