Von Bernd Niquet
Die Preise steigen und die US-Notenbank hat Zinserhöhungen in Aussicht gestellt, um die Inflation zu bekämpfen. Die Märkte spekulieren jetzt nur noch darüber, wie viele Zinsschritte es sein werden und wie hoch die Notenbank die Zinsen heben wird.
Die Bondmärkte nehmen diese Entwicklung vorweg und haben mächtige Einbußen erlitten, selbst bei uns in Europa, wo überhaupt niemand von offizieller Seite über Zinserhöhungen redet.
Ob das, was die Amis da machen, das richtige Vorgehen ist? Ich habe da große Zweifel.
Ich denke: What kind of talk is that? Und bin dabei sofort bei Monty Pythons Dead Parrot Sketch, bei dem der Tierhändler dem Kunden einen toten Papagei als lebend verkaufen will.
Das ist grotesk, denn die Wirklichkeit, die dort vorgespiegelt wird, ist nicht die wirkliche Wirklichkeit. In der Realität sitzt der Papagei nur deswegen auf der Stange, weil er dort festgenagelt ist. This parrot is no more. He has ceased to be.
Und ich denke, bei der Wirtschaft sieht es ganz ähnlich aus. Wir leben in unseren westlichen Volkswirtschaften derzeit nicht wie üblich von Markteinkommen, sondern zu einem beängstigend großen Teil von staatlichen Corona-Transfers.
Die Märkte haken, sie haken durch äußeres Eingreifen, sie funktionieren im Moment nicht richtig. Und wie der Papagei lebend aussieht, weil er auf der Stange festgenagelt ist, bringen unsere Volkswirtschaften gute Zahlen, weil die Zentralbanken genauso viel neues Geld im Umlauf bringen wie es jetzt Corona-Viren gibt.
So etwas ist natürlich eine brandgefährliche Situation. Und in dieser Lage sollen jetzt nach ewig langen Nullzinsen die Zinsen angehoben werden. Das ist, als würde man einen Kranken, der am Tropf hängt, zu einem Trimmprogramm zwingen.
Ich habe große Bedenken, dass das gut geht. Zudem frage ich mich, wie man denn Rohstoffpreiserhöhungen, die durch Corona-Nachholeffekte und politische Entwicklungen explodiert sind, durch Zinsverteuerungen zum Sinken bringen will?
Ob das Öl und das Gas überhaupt hören werden, was sie jetzt tun sollen? Haben Öl und Gas Ohren? Denn wenn nicht, bleibt den Notenbanken nur ein einziger Weg, um den momentanen Inflationsauftrieb abzubremsen:
Und der wäre, Preissenkungen bei ANDEREN Gütern und Dienstleistungen herbeizuzwingen, um die Rohstoffverteuerungen zu kompensieren. Doch das würde bedeuten: eine heftige Rezession und einen herben Bearmarket. Ist es das wert? Ich bin da entschieden anderer Meinung.
Ich denke, wir müssen jetzt die Backen zusammenkneifen und durch durch diese Situation. Und wenn es zu heftig wird für die unteren Einkommensklassen, müssen wir zusätzliche Transfers zahlen.
Natürlich müssen wir irgendwann von der Nullzinspolitik und den Anleihekaufprogrammen wegkommen. Doch das in einer historisch einmaligen Krisensituation wie dem staatlichen Abwürgen der Märkte durch die weltweite Corona-Politik zu tun, erzeugt bei mir ein mulmiges Gefühl.
Bisher haben wir uns geld- und finanzpolitisch so klug verhalten und haben bei der Finanzkrise 2007 und 2008 sowie bei Corona 2020 einen eigentlich sicheren Crash mit anschließender Depression verhindert.
Doch das, was da jetzt kommt, lässt mich wirklich an die Zeiten von 1929 bis 1933 denken. Auch damals war das ja totales Neuland... .
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******
Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. SIEBENTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2021, 635 Seiten, 22 Euro
Am besten portofrei direkt beim Verlag bestellen: www.engelsdorfer-verlag.de
oder bei Amazon
In Kleists Drama "Penthesilea" geht es um den Konflikt zwischen einem gefühlsintensiven Individuum und der gesellschaftlichen Ordnung, die diesen Gefühlen entgegensteht. Penthesilea, die Königin der Amazonen, erobert im Kampf Männer, um sie zur Zeugung neuer Kriegerinnen mitzunehmen. Nach vollzogenem Zeugungsakt entlässt sie die Männer wieder in die Freiheit. Nur ihrem Geliebten stellt sie nach, was diesen letztlich sein Leben kostet. Kann es sein, dass ich in meinem Leben mehrmals nur haarscharf an vielem aus dieser Tragödie vorbeigeschrappt bin? Und dann ist ja auch noch Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist nur unweit meiner Wohnung freiwillig aus dem Leben geschieden.
Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt am wunderschönen grünen Rand seiner ansonsten mittlerweile ungeliebten Heimat Berlin. Die vorangegangenen sechs Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019 und 2020.
Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.