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Wichtige Hintergründe

Donnerstag, 10. März 2022 um 08:16

Von Bernd Niquet

Was für wunderbare Momente sind das, wenn ich einmal abseits des deutschen Betroffenheitsfernsehens auf Hintergründe und Erklärungen des jetzigen Geschehens in der Ukraine stoße.

Professor Gunnar Heinsohn kenne ich noch sehr gut aus damaligen wirtschaftswissenschaftlichen Auseinandersetzung. Jetzt beschäftigt er sich jedoch mit Bevölkerungspolitik, Kriegsdemographie und ist ein anerkannter Genozidforscher.

Ich finde ihn auf der „Achse des Guten“ und kann es erneut nicht fassen, warum unsere übermächtigen Fernsehapparatschiks zusammengenommen nicht solche Stichworte liefern können wie ein einzelner emeritierter Professor.

Ein guter Teil des Widerstandes der Ukraine erkläre sich nämlich aus dem Holodomor, so Heinsohn. Warum höre ich jeden Tag im Fernsehen hundert Mal von Olaf Scholz, Putin solle seinen Krieg stoppen, warum jedoch habe ich dort dieses Wort noch nie gehört?

Holodomor bedeutet Tod durch Hunger. Durch die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft in der Sowjetunion begannen damals Anfang der 30er Jahre die Ernten komplett einzubrechen. Binnen eines Jahr halbierte sich die Getreideernte in der Ukraine nahezu, trotzdem wurden die Zwangsabgaben drastisch gesteigert.

Dadurch verhungerten je nach Schätzungen 2,4 bis 7,5 Millionen Ukrainer, ein britischer Forscher gibt die Gesamtopferzahl sogar mit 14,5 Millionen an. Und es existiert starke Evidenz dafür, dass Stalin den Hunger bewusst eingesetzt hat, um den ukrainischen Freiheitswillen zu brechen und die sowjetische Herrschaft dort zu festigen.

Das kommt einem bekannt vor, oder? In Mariupol exerziert Stalins Erbe Putin das jetzt ja auch durch.

Wahrscheinlich ist ohne diese Informationen die gegenwärtige Haltung der Ukrainer gar nicht zu verstehen. Denn das, was dort heute passiert, ist ja so, als würde Deutschland versuchen, Israel zu besetzen. Umso unfassbarer, dass derartige Fakten nur über Umwege den Menschen hierzulande bekannt werden.

Als ich über den Holodomor lese, stoße ich auch auf Wiktor Juschtschenko, der in seiner Zeit als ukrainischer Präsident versucht hat, den Mord an den Ukrainern weltweit als Genozid anerkannt zu bekommen.

Plötzlich wird dadurch die jüngere politische Geschichte der Ukraine in mir wieder lebendig. Natürlich, Juschtschenko und die orangene Revolution mit dem Versuch, sich der Wahlfälschung durch den von Russland unterstützen ukrainischen Präsidenten Janukowytsch zu entledigen. Und ist Juschtschenko nicht vergiftet worden?

Heute weiß man ja genau, dass der Regimekritiker Alexej Nawalny vom Kreml vergiftet worden ist, auch weiß man das von den vergifteten Russen in London und im Berliner Tiergarten. Und ich kann es gar nicht fassen, ja, auch hier, deuten die Zeichen klar darauf hin, dass bereits dort ein gewisser Herr Putin dahinter steht.

Und das Thema Wahlfälschung passt dann ja auch wunderbar zu Putins letztem verbliebenen wirklichen Bundesgenossen aus Belarus.

Es wiederholt sich hier alles wie am Murmeltiertag: Wahlfälschung, Straflager, Vergiftung, Völkermord.

Von Mariupol aus geht es direkt zurück in die Vergangenheit, zuerst nach Aleppo und dann nach Grosny. Darüber werde ich am Samstag schreiben. Aber das wollen Sie natürlich nicht hören, liebe Leser. Ich allerdings auch nicht.

Und eigentlich müssen wir das ja auch nicht, schließlich sind wir doch auf der sicheren Seite. Unser Nato-Generalsekretär hat gesagt, es sei gut und richtig, dass der Krieg auf die Ukraine konzentriert bleibe, und der mutigste kleine Kanzler der Welt, der heute überall gefeiert wird, ist wirklich der neue Churchill.

Haben Sie die Pressekonferenz am Mittwoch gesehen? „We shall talk on the beaches, we shall talk on the landing grounds, we shall talk in the fields and in the streets, we shall talk in the hills; we shall never stop talking. And do nothing else.“

 

Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet

 

******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******

Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. SIEBENTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2021, 635 Seiten, 22 Euro

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In Kleists Drama "Penthesilea" geht es um den Konflikt zwischen einem gefühlsintensiven Individuum und der gesellschaftlichen Ordnung, die diesen Gefühlen entgegensteht. Penthesilea, die Königin der Amazonen, erobert im Kampf Männer, um sie zur Zeugung neuer Kriegerinnen mitzunehmen. Nach vollzogenem Zeugungsakt entlässt sie die Männer wieder in die Freiheit. Nur ihrem Geliebten stellt sie nach, was diesen letztlich sein Leben kostet. Kann es sein, dass ich in meinem Leben mehrmals nur haarscharf an vielem aus dieser Tragödie vorbeigeschrappt bin? Und dann ist ja auch noch Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist nur unweit meiner Wohnung freiwillig aus dem Leben geschieden.

Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt am wunderschönen grünen Rand seiner ansonsten mittlerweile ungeliebten Heimat Berlin. Die vorangegangenen sechs Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019 und 2020.

Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.

 

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