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Verstehen Sie Ihre neuen Strom- und Gaspreise?

Donnerstag, 22. September 2022 um 07:57

Von Bernd Niquet

Immer, wenn es um wirklich wichtige und schwer zu verstehende Dinge geht, versagen unsere Presse und unser Fernsehen komplett, finde ich.

Von ihnen erhält man zwar Berichte über die Befindlichkeiten von Menschen, doch die Erklärung komplizierter Sachverhalte sind eher nicht ihre Sache. Hier fehlt es wohl an den generellen Fähigkeiten, vor allem auch an derjenigen, sich in die Leser oder Zuschauer hineinversetzen zu können.

Am entscheidendsten ist dies momentan bei der Gaskrise. Da wird über Verträge berichtet, die die Kunden mit ihren Gasversorgern geschlossen haben. Doch ich bin Mieter und habe keinen Vertrag mit einem Gaslieferanten. Ich weiß nicht einmal, bei wem mein Vermieter Kunde ist.

Und dann werden Marktpreise genannt, die jedoch mit den Preisen in meiner Betriebskostenabrechnung überhaupt nichts zu tun haben. So finde ich beispielsweise, dass die Großhandelspreise im November 2020 bei 14,80 Euro je Megawattstunde lagen. In meiner Abrechnung steht für 2020 jedoch ein Wert von 79,84 Euro je MWh, den ich zu bezahlen hatte.

Könnte einer der hochwohlgeborenen Herrschaften im Fernsehen und in der Presse vielleicht einmal ein Wort darüber verlieren?! Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht der einzige Mieter in Deutschland bin. Oder etwa doch?

Meine Güte, darauf müsst ihr doch mal eingehen, Ihr Idioten.

Aber auch beim Strom ist das alles mehr als merkwürdig. Hier habe ich ja selbst einen Vertrag mit einem Stromversorger abgeschlossen. Dieser teilte mir kürzlich mit, dass die Verbrauchsleistung im kommenden Jahr um 82 Prozent teurer sein wird als in diesem. Komisch ist nur, dass die Vorauszahlungen nicht erhöht werden. Hm.

Anlässlich der Nachrichten, die ich überall gehört habe, finde ich 82 Prozent eigentlich gar nicht so schlimm. Es hätte sicherlich schlimmer kommen können. Als dann jedoch wenige Tage später die kommunalen Versorger ankündigen, Strom könnte um bis zu 60 Prozent teurer werden, bin ich schon etwas irritiert.

Ich schaue daher einmal auf ein Vergleichsportal, finde dort jedoch nichts Billigeres als das, was ich zukünftig zahlen werde. Dann hätte mein Strom vorher ja sehr billig sein müssen, was jedoch auch nicht stimmt, denn im vergangenen Jahr hatte ich einmal geschaut und lag da genau im Durchschnitt.

Das verstehe nun einer.

Das ist aber auch eine übermenschliche Kalkulationsaufgabe, die die Versorger hier derzeit leisten müssen, oder? Doch auch hierüber sagt natürlich niemand etwas in den Medien. Wahrscheinlich weil die Dussels dort das alle selbst nicht kapieren.

Ich kann mir hier also nur aus dem Zustand der vollständigen Unwissenheit heraus ein paar Gedanken machen. Wenn ich jetzt anlässlich der Preisturbulenzen auf dem Gas- und Strommarkt ein Versorgungsunternehmen zu führen hätte, würde mir sicherlich der Allerwerteste ganz schön auf Grundeis gehen.

Denn dann müsste ich doch eine Zusage für ein ganzes Jahr machen, obwohl die Preisbildung eher einem Roulettespiel entspricht als irgendetwas Kalkulierbarem. Und da würde ich den Preis dann lieber viel zu hoch als eventuell zu tief ansetzen. Dann lieber Kunden verlieren als eventuell pleite zu gehen. Oder verstehe ich das jetzt falsch?

Wobei ich sicherlich keine Kunden verlieren würde, denn wo sollen die denn hin. Die will doch keiner, diese armen Schweine ohne Vertrag. Oder verstehe ich das jetzt falsch?

Andererseits, wenn ich mich jetzt verpokere und pleite gehe, dann wird mich der Staat ja wohl retten. Zumindest wenn ich groß genug bin. Untergehen werden nur die Kleinen. Oder verstehe ich das jetzt falsch?

Bezeichnenderweise habe ich über all das, was ich hier gerade überlegt habe, nirgendwo etwas gehört, gesehen oder gelesen. Was ja mal wieder typisch ist und eher die Regel als die Ausnahme.

Ich kann mich daher nur entschuldigen, wenn meine Überlegungen Unsinn sind. Dann bin ich eben thick as a brick. Aber das ist nicht meine Schuld.

Hauptsache, die da oben wissen Bescheid. Vater und Mutter Staat werden das schon machen. Lang leben die Sanktionen, Gottes Geschenk an die Gerechten auf dieser Erde! Und der Rest ist egal.

Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet

 

******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******

Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. SIEBENTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2021, 635 Seiten, 22 Euro

Am besten portofrei direkt beim Verlag bestellen: www.engelsdorfer-verlag.de

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In Kleists Drama "Penthesilea" geht es um den Konflikt zwischen einem gefühlsintensiven Individuum und der gesellschaftlichen Ordnung, die diesen Gefühlen entgegensteht. Penthesilea, die Königin der Amazonen, erobert im Kampf Männer, um sie zur Zeugung neuer Kriegerinnen mitzunehmen. Nach vollzogenem Zeugungsakt entlässt sie die Männer wieder in die Freiheit. Nur ihrem Geliebten stellt sie nach, was diesen letztlich sein Leben kostet. Kann es sein, dass ich in meinem Leben mehrmals nur haarscharf an vielem aus dieser Tragödie vorbeigeschrappt bin? Und dann ist ja auch noch Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist nur unweit meiner Wohnung freiwillig aus dem Leben geschieden.

Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt am wunderschönen grünen Rand seiner ansonsten mittlerweile ungeliebten Heimat Berlin. Die vorangegangenen sechs Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019 und 2020.

Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.

 

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