Von Bernd Niquet
Eigentlich sollte diese Kolumne ganz anders heißen und etwas Kluges zur aktuellen Situation unseres Landes beinhalten. Doch ich bin gescheitert, so etwas zu liefern.
Der Grund hierfür kann nur darin liegen, dass ich entweder selbst zu doof dazu bin oder dass man uns mittlerweile alle irgendwie zu Doofitzen gemacht hat.
Ich habe daher auch entschieden, meinen Verstand jetzt auszuschalten und nur über meine Gefühle zu berichten. Denn Gefühle sind immer erlaubt, sagt mein Therapeut.
Am vergangenen Wochenende habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Angst gehabt als ich die Tagesschau gesehen habe. Da hieß es, jetzt regiert in Italien die rechtsradikalen Fratelli d´Italia zusammen mit der rechtspopulistische Lega und der rechtskonservativen Forza Italia.
Und so, wie die Sprecherin den ihr diktierten Text vorgelesen hat, habe ich gedacht, wenn diese Begriffe jetzt nicht bereits so sehr belastet wären, dann würde sie bestimmt noch etwas von Herrenmenschen und Untermenschen hinzufügen.
Es war einfach nur widerlich. Am liebsten würden wir doch jetzt wieder unsere Panzer dorthin schicken, um den Schwarzen da unten zu zeigen, wo es langgeht. Schließlich sind wir doch die Einzigen, die das wirklich wissen.
Dabei sind wir derzeit so dermaßen am Arsch wie seit Hitlers Zeiten nicht mehr. Von der Moral her sowieso und die Inflationsrate liegt heute sogar noch höher als vor Hitlers Machtergreifung.
Es wäre also eine sehr passende Zeit, dass sie jetzt kommen, die neuen Führer, denke ich. Ach, nein, was rede ich denn? Sie sind ja schon längst da!
Und gerade haben sie in der vergangenen Woche bei Nacht und Nebel um 23 Uhr ohne jede öffentliche Anhörung ein Maulkorbgesetz im Bundestag durchgeboxt. Der § 130 StGB wird jetzt zum neuen § 218 StGB, denn der Bürger muss jetzt bald seine eigene Meinung abtreiben.
Und ich überlege, ob die Ampelkoalition es noch schaffen wird, in ihrer Amtszeit zu verfügen, dass die Menschen ihren Mund zukünftig nur noch zum Luftholen und zum Essen und Trinken benutzen dürfen. So gelingt dann auch wunderbar die Annäherung an China, weil die Sprachbarriere dann ja wegfällt.
Nur mit den ausschließlich Grunzlaute ausstoßenden Russen, die ohnehin eher an Tiere erinnern, können wir uns dann nicht mehr verständigen. Aber das wollen wir ja auch gar nicht mehr! Mit Russland soll es ja nie wieder Kontakt geben! Tausend Jahre nicht!
Dabei könnte der neue § 130 StGB durchaus von Putin stammen. Denn wenn der neue Absatz 5 Gesetz wird, wird jeder Bürger an jedem Morgen gezwungen sein, gründlich die Zeitung zu lesen, um zu wissen, was er am Abend noch sagen darf und was nicht.
Es geht dabei darum, dass man zukünftig nicht mehr nur noch den Holocaust nicht verleugnen darf, sondern auch andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen nicht verharmlosen darf.
Was die Russen also in der Ukraine gemacht haben, darf nicht verharmlost werden. Sonst geht man ins Gefängnis. Was allerdings mit den Ermordungen von Russen durch die Ukrainer vorher ist, das ist noch nicht klar. Vielleicht darf man das auch nicht verharmlosen, vielleicht aber im Gegenteil auch nicht einmal erwähnen.
Näheres dazu finden Sie dann in der Presse, lieber Leser. Den Medien wird dann endlich auch vom Gesetzgeber die Rolle zugewiesen, die sie ja heute schon ausüben, nämlich keinesfalls mehr wie früher ein Vermittler von Wirklichkeit zu sein, sondern vielmehr einer der vorgeschriebenen Haltung.
Und wenn ein Bürger zukünftig auf eine Demonstration gehen möchte, darf er das nur noch gemeinsam mit fünf anderen tun, die alle einen Negativtest des Verfassungsschutzes bei sich haben müssen, der nicht älter als 72 Stunden ist.
Lang lebe unser endlich sozialistisch gewordenes Vaterland.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******
Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. SIEBENTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2021, 635 Seiten, 22 Euro
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In Kleists Drama "Penthesilea" geht es um den Konflikt zwischen einem gefühlsintensiven Individuum und der gesellschaftlichen Ordnung, die diesen Gefühlen entgegensteht. Penthesilea, die Königin der Amazonen, erobert im Kampf Männer, um sie zur Zeugung neuer Kriegerinnen mitzunehmen. Nach vollzogenem Zeugungsakt entlässt sie die Männer wieder in die Freiheit. Nur ihrem Geliebten stellt sie nach, was diesen letztlich sein Leben kostet. Kann es sein, dass ich in meinem Leben mehrmals nur haarscharf an vielem aus dieser Tragödie vorbeigeschrappt bin? Und dann ist ja auch noch Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist nur unweit meiner Wohnung freiwillig aus dem Leben geschieden.
Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt am wunderschönen grünen Rand seiner ansonsten mittlerweile ungeliebten Heimat Berlin. Die vorangegangenen sechs Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019 und 2020.
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