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Das Absolute und unser Teil davon

Donnerstag, 13. April 2023 um 08:26

Von Bernd Niquet

In Südeuropa herrscht derzeit eine heftige Trockenheit. Frankreich, Italien und Spanien sind gleichermaßen davon betroffen. In vielen Gegenden hat es in diesem Jahr noch überhaupt nicht geregnet.

Aber auch über einen Zeitraum von einem Jahr ist kaum Regen gefallen. Das Resultat daraus sind halbleere Wasserreservoirs und ein regelrechter Kampf zwischen Gemeinden, Bauern und Bürgern um das Wasser.

Die letzte derartige Dürre habe es vor 150 Jahren gegeben, lese ich, deshalb würden Landwirte in Südfrankreich jetzt auch wieder mit dem Ritual von damals beginnen, in einer Prozession den Schutzpatron der Bauern um Regen anzuflehen.

Das alles wirkt gespenstisch, denn die Ernten sind gefährdet und Bauvorhaben werden gestoppt, weil keine neuen Wasserentnahmen mehr genehmigt werden.

Natürlich wäre das alles sehr leicht mit dem Klimawandel zu erklären. Und da ist sicherlich auch einiges dran. Bei uns wird es ja auch jedes Jahr trockener und heißer.

Doch warum dann die große Dürre vor 150 Jahren? Und wie wird wohl damals die Welt ausgesehen haben?

An dieser Stelle möchte ich gerne eine Unterscheidung einführen, nämlich zwischen dem Absoluten und dem Teil, der uns davon betrifft. Bezogen auf das Wasser also die insgesamt existierende Wassermenge und das, was wir davon zu diversen Zwecken nutzen.

Vor 150 Jahren gab es noch keine so starke Bebauung wie heute, es gab keine mechanische Bewässerung von Ackerflächen und überhaupt noch keine so intensive Landwirtschaft wie heute, keine Swimmingpools, keine Autowaschanlagen und keine Industrie.

Das heißt, der Bedarf an Wasser war damals längst nicht so groß wie heute, trotzdem war die Trockenheit genauso verheerend. Ich glaube, man kann daher darauf schließen, dass damals das Absolute noch weit geringer gewesen sein muss, also absolut weniger Wasser vorhanden gewesen ist als heute.

Sicher ist das allerdings nicht. Denn das Absolute, die gesamte Menge an verfügbarem Wasser im Boden, in der Luft und als Schnee auf den Bergen ist nicht quantifizierbar. Messen können wir immer nur den Teil davon, der uns zur Nutzung zur Verfügung steht.

Und dabei ist auf jeden Fall sicher: Je größer unser Anteil, umso größer auch im Krisenfall die Not.

Doch ich will hier keine Klimadiskussion führen, mir ist vielmehr aufgefallen, dass dieses Denkmodell vom Absoluten und unserem relativen Anteil durchaus geeignet ist, auch bei vielen anderen Dingen einen Einblick zu erhalten.

Nehmen wir beispielsweise die Politik. Heute ist ja die allgemeine Aufregung über das, was in Brüssel und in unseren jeweiligen nationalen Regierungen geschieht sehr groß. Doch gibt es heute absolut betrachtet mehr Mauscheleien als früher?

Ich denke, es lassen sich hier nur zwei Aussagen mit großer Sicherheit treffen: Das Absolute ist hier genauso unbekannt wie beim Wasser, unser Teil, den wir Bürger davon mitbekommen und für uns aufnehmen, fällt jedoch unbezweifelbar heute weit höher aus als früher.

Im Prinzip ergibt sich hier also genau das Gleiche wie beim Wasser. Und wenn ich mich nicht sehr irre, zieht sich das durch nahezu alle Bereiche unseres Lebens durch.

Denn heute gibt es wesentlich mehr Krankheiten als früher, wesentlich mehr Lebensmittel als früher, überhaupt wesentlich mehr Gefahren als früher. Doch lässt sich daraus eine absolute Erkenntnis ableiten?

Ich bin da skeptisch. Alle Erkenntnisse scheinen mir relativ zu sein. Wir können sie niemals am Absoluten verorten.

Deswegen wissen wir eigentlich auch nie, wo wir uns gerade befinden. Wo stehen wir im Moment in der langen Geschichte der Welt und der Menschheit? Und was ist daher zu tun?

In der Absolutheit lässt sich das niemals sagen. In unserer vergleichsweise bescheidenen Relativität hingegen scheinen wir durchaus zu sehr zutreffenden Erkenntnissen gelangen zu können.

Im Grunde genommen würde uns das enorm weiterführen. Das Problem ist nur, dass die Welt von Religionen und Ideologien beherrscht wird. Und die interessieren sich nur für das Absolute.

Jeder wirkliche Dialog ist daher unmöglich. Denn wer sich von Gott oder der Wissenschaft des Absoluten auserkoren sieht, ist für normale Menschen nicht mehr erreichbar.

 

Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet

 

******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******

Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. ACHTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2022, 632 Seiten, 23,50 Euro

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Kann man eigentlich durch einen Wohnungsumzug jünger werden? Vielleicht. Und gibt es so etwas wie einen Sinn des eigenen Lebens? Oder Dinge, die die Seele noch vor dem Tod zu erledigen hat? Schon schwieriger. Dabei hatte Goethe doch bereits den Chor der Engel singen lassen, dass derjenige, der sich immer strebend bemüht, erlöst werden kann. Die wichtigste Frage im Leben lautet dann aber wohl doch, was denn nun erfolgreicher weiterhilft, die eigene Intuition oder wissenschaftliche Erkenntnisse?

Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die vorangegangenen sieben Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020 und 2021.

Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.

 

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