Von Thomas Grüner
Die vergangenen Börsentage hatten es in sich – Anleger wurden mit einer negativen Volatilität konfrontiert, die schnell und heftig einsetzte. Innerhalb kurzer Zeit bewegten sich zahlreiche Aktienindizes in die unmittelbare Nähe einer „Korrektur per Definition“ – in der Regel ein starker, stimmungsbedingter Rückgang zwischen10 und 20 Prozent. Der japanische Leitindex Nikkei stürzte sogar an einem einzelnen Börsentag um mehr als 10 Prozent ab. Weltweit wechselten die Schlagzeilen schnell in den Panik-Modus, auf der Suche nach den Ursachen für diesen Absturz.
Volatilität akzeptieren
Ob es sich aktuell um eine Korrektur oder nur um eine starke Volatilität handelt, ist aus unserer Sicht eine Unterscheidung ohne große Bedeutung. Wir sind davon überzeugt, dass der wichtigste Ansatz derselbe ist: Ruhe bewahren. Die Marktgeschichte zeigt, dass es in der Regel ein Fehler ist, auf Volatilität zu reagieren, insbesondere auf solch starke Ausschläge – und zwar ein potentiell kostspieliger Fehler. Wir sehen wenig Anzeichen dafür, dass ein Bärenmarkt (ein tieferer, typischerweise länger andauernder Rückgang von mehr als 20 Prozent mit einer fundamentalen Ursache) bevorsteht. Unsere Analysen zeigen zudem, dass Korrekturen sehr plötzlich auftreten und auch wieder verschwinden, so dass Timing-Versuche keinen nachhaltigen Anlageerfolg ermöglichen.
Ursachenforschung
Der starke Kursrückgang wurde zunächst auf die Zinserhöhung der japanischen Zentralbank zurückgeführt. Dann wurde der US-Arbeitsmarktbericht vom vergangenen Freitag verantwortlich gemacht, anschließend die Entscheidung der Fed – die auf eine Zinssenkung verzichtete – als Ursache identifiziert. In gewissem Maße ist der negative Einfluss dieser „Problemstellungen“ natürlich nicht von der Hand zu weisen, gerade auf die kurzfristige Marktstimmung. Der erstarkte Yen dürfte einige Carry-Trades in die Verlustzone geführt haben, der US-Arbeitsmarktbericht ist sicherlich nicht perfekt und die Maßnahmen der Fed sind in jeglicher Hinsicht diskussionswürdig. Aber diese Einflussfaktoren haben auch in der Kombination nicht das negative Überraschungspotential, um den laufenden Bullenmarkt so abrupt zu beenden.
Es ist immer ein schwieriges Unterfangen, kurzfristige Schwankungen zu analysieren und sie mehreren oder einer einzigen Ursache zuzuordnen. Für uns sieht es viel eher wie eine groß angelegte Stimmungsbereinigung aus: scharf, kurzfristig und überraschend – klassische Korrekturmerkmale. Es scheint, als ob die Erwartungen der Anleger schnell nach unten korrigiert werden. Das ist das Gegenteil von dem, wie Bärenmärkte nach unserer Betrachtungsweise normalerweise beginnen. Bullenmärkte enden mit einem Wimmern, nicht mit einem Knall. Bärenmärkte wiegen die Anleger in Sicherheit mit langen, schleichenden Rückgängen und packen hohe Volatilität in die späten Phasen.
Fazit: Im ersten Moment mag die negative Volatilität der vergangenen Tage erschütternd sein. Aber wir sehen darin auch einen positiven Aspekt: Plötzliche Negativität hilft, die Stimmung und Erwartungen zurückzusetzen, und baut die sprichwörtliche „Mauer der Angst“ des Bullenmarkts wieder auf. Wir halten dies für eine normale, sogar gesunde Entwicklung in einem Bullenmarkt. Versuche, den Beginn und das Ende solcher schnellen Stimmungsschwankungen zu timen, sind aus unserer Sicht nicht erfolgsversprechend. Bevor Sie den Schwankungen also mit emotionalen Reaktionen begegnen, atmen Sie tief durch und rufen Sie sich in Erinnerung, dass „Verkaufen aus Angst“ keine Strategie ist.
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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