Von Thomas Grüner
Viele Marktbeobachter vermuten, dass die Zentralbankkonferenz an diesen Freitag ein absolut entscheidendes Ereignis für die Märkte sein wird. Im Gegensatz dazu erwarten wir ein relativ ereignisloses Treffen. Sicherlich hat der ein oder andere Zentralbanker die malerische Kulisse im US-Bundesstaat Wyoming bereits genutzt, um große Ankündigungen zu machen – aber das ist die Ausnahme, nicht die Regel.
Wohin geht die Zins-Reise?
Dieses Jahr sind die Augen vor allem auf Fed-Chef Jerome Powell gerichtet, der über den Zustand der US-Wirtschaft referieren wird. Also genau dasselbe, worüber er in jeder Pressekonferenz redet. Aber dieses Mal sind alle gespannt, ob er Andeutungen über die September-Sitzung der Fed macht. Mit Spannung wird auch erwartet, ob der viel diskutierte Arbeitsmarktbericht vom Juli – und der dadurch ausgelöste Rezessionsindikator der ehemaligen Fed-Ökonomin Claudia Sahm – die Sichtweise der Fed verschlechtert hat und eine Zinssenkung um 0,50 Prozentpunkte wahrscheinlicher macht als die bisher erwarteten 0,25 Prozentpunkte.
Vielleicht werden einige drängende Fragen der Anleger auf dieser Konferenz beantwortet, vielleicht aber auch nicht. Jerome Powell wird sich darüber bewusst sein, wie viele Menschen aktuell an seinen Lippen hängen, Unverbindlichkeit ist also Trumpf. Denn die Fed und andere Zentralbanken haben in den vergangenen Jahren viel Kritik einstecken müssen, weil sie sich über ihre eigenen Prognosen hinwegsetzten und im Grunde das eine sagten und das andere taten. Da zwischen Jackson Hole und der Fed-Sitzung am 17. und 18. September fast ein Monat liegt und bis dahin eine Menge Daten veröffentlicht werden, könnte es also durchaus sein, dass der Fed-Chef sich nicht in eine Ecke drängen lassen will – und nicht sehr konkret wird.
Märkte bleiben cool
Als die Märkte nach dem Schritt der Bank of Japan und dem US-Arbeitsmarktbericht im Juli stark zurückgingen, war viel davon die Rede, dass die Fed hinter den Kulissen agiert. In den Schlagzeilen wurde vor einer drohenden Rezession gewarnt, falls die Fed nicht handeln würde. Doch die Aufregung war nur von kurzer Dauer, die Aktienmärkte konnten sich zügig von der Abwärtsbewegung erholen und mehrere gute Konjunkturdaten und Unternehmensergebnisse verringerten die Rezessionsängste wieder. Und das alles geschah ohne eine einzige Zinssenkung, was zeigt, wie überzogen die erste Marktreaktion war. Das Festhalten an Jackson Hole als Vorbote einer Zinssenkung scheint ein letzter Versuch zu sein, die Bedeutung der Fed aufrechtzuerhalten.
Selbst wenn Powell eine klare Andeutung macht, würden wir nicht viel daraus ableiten. Auch hier gibt es für die datenabhängige Fed bis dahin eine Menge neuer Daten zu analysieren. Außerdem gehört die Bühne nicht Jerome Powell allein, Andrew Bailey von der Bank of England wird ebenfalls am Freitag berichten. Sein offizielles Thema ist der Rückblick auf die jüngsten Maßnahmen und deren Auswirkungen – auch hier sind also keine deutlichen Hinweise auf die künftige Politik zu erwarten.
Fazit: Wir wollen nicht ausschließen, dass Jerome Powell auf der Fed-Konferenz etwas Konkretes, Sinnvolles oder Nützliches sagt. Anleger sollten sich jedoch nicht an alles klammern, was er und andere Zentralbanker sagen, sondern die Bedeutsamkeit dieser Konferenzen nicht überbewerten. Weder die Aktienmärkte noch die Wirtschaft hängen nur von den Zinsen ab, diesen Nachweis hat der laufende Bullenmarkt in den vergangenen 22 Monaten längst geliefert.
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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