Von Thomas Grüner
In der vergangenen Woche bin ich darauf eingegangen, warum wir von der Zentralbankkonferenz in Jackson Hole nicht allzu viel erwarten sollten. Einige Beobachter jubelten zwar über Jerome Powells angeblich stärkstes Signal, im September Zinssenkungen durchzuführen, im Grunde haben Anleger am vergangenen Feitag allerdings nichts Neues erfahren. Es bleibt somit bei dem Ratschlag, geldpolitische Diskussionen nicht zu hoch zu hängen.
Nicht überraschend
Powells Rede am Freitag war eine ziemlich vorhersehbare Zusammenfassung der jüngsten Geschichte der US-Wirtschaft – seine Sicht des Inflationsanstiegs, die Verspätung der Fed bei der Bekämpfung der Inflation und der Weg zurück zu durchschnittlichen Inflationsraten. „Die Zeit für eine Anpassung der Politik ist gekommen. Die Richtung ist klar, und der Zeitpunkt und das Tempo der Zinssenkungen werden von den eingehenden Daten, den sich entwickelnden Aussichten und dem Gleichgewicht der Risiken abhängen.“
Diese Aussage wurde als angebliche Verpflichtung zu Zinssenkungen im September interpretiert – wobei Zeitpunkt, Ausmaß und Tempo aber nicht wirklich konkret benannt wurden. Dies sei „datenabhängig“, was der üblichen schwammigen Fed-Sprache entspricht. Im Gegensatz dazu erscheinen Powells Äußerungen nach der Fed-Sitzung im Juli deutlich entschlossener, als er davon sprach, dass eine gewisse „Gesamtheit der Daten“ dafür sorgen könnte, dass bereits im September eine Zinssenkung auf dem Tisch liegt.
Sind diese Daten-Kriterien nun erfüllt? Hierzu gibt es keine klare Antwort. Powell bezog sich in seiner Rede auf dieselben wirtschaftlichen Trends und Beobachtungen, die er bereits im Juli angeführt hatte: solides Wirtschaftswachstum, nachlassendes Lohnwachstum, nachlassende Inflation und langsameres Beschäftigungswachstum. Es ist in der Zwischenzeit ja auch nicht viel passiert! Somit bleibt für uns unter dem Strich lediglich eine Umformulierung der Ansichten aus der Juli-Sitzung.
Robuste Märkte
Die US-Wirtschaft wächst bei den derzeitigen Zinssätzen gut. Nach dem heftigen Rückschlag haben sich die globalen Aktienmärkte schnell erholt und wir befinden uns seit fast zwei Jahren in einem intakten Bullenmarkt. Die Zinssätze sind nicht einmal sonderlich hoch, wenn man die gesamte Historie betrachtet – sie sind nur hoch im Vergleich zu den extrem niedrigen Zinssätzen der vergangenen 15 Jahre.
Und warum sollte man versuchen, den genauen Zeitpunkt und das Ausmaß einer Zinssenkung zu bestimmen? Darauf zu spekulieren erscheint unsinnig. Die Aktienmärkte reagieren nicht im Voraus auf die Maßnahmen der Fed. Sie preisen weit verbreitete Erwartungen ein und entwickeln sich dann auf ihre ganz eigene Weise. Vielleicht wird der Aktienmarkt steigen, wenn die Fed in drei Wochen die Zinsen senkt, vielleicht auch nicht – kurzfristige Volatilität ist unvorhersehbar.
Fazit: Für uns ist die wichtigste Erkenntnis die Stimmung der Anleger. Die Menschen warten mit angehaltenem Atem auf eine Maßnahme, die von der Fed in der Regel ergriffen wird, wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen verschlechtern. Es gibt eine lange Historie von Zinserhöhungszyklen, die in schlechten Zeiten beginnen, nicht in guten. Wir sind nicht pessimistisch und die Gesamtheit der Anzeichen deutet auf gute Zeiten für die US-Wirtschaft hin. Nimmt die Fed in diesem Zyklus eine Zinssenkung vor – nicht, weil sie zwingend muss, sondern weil sie kann – wäre das eher die Ausnahme als die Regel. Wir werden in jedem Fall aufmerksam beobachten, wie sich die Marktstimmung weiterhin entwickelt.
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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