Von Thomas Grüner
Im Rahmen der aktuellen Diskussionen rund um die Bankenkrise hat die Marktstimmung einen herben Dämpfer erlitten. Für europäische Anleger rückt die Krise durch die Pleite der Credit Suisse in den unmittelbaren Fokus. Etwas differenziert betrachtet sind es dabei aber nicht die Zusammenbrüche der Banken an sich, die ein wirtschaftliches Risiko darstellen. Es gibt genügend Banken, die im Rahmen eines intakten Bullenmarkts gescheitert sind und dabei das Wirtschaftswachstum nicht gefährdet haben. Somit wirkt sich die Pleite einer oder mehrerer Banken nicht automatisch negativ auf die breiteren Märkte aus. Die tatsächlichen Probleme entstehen allerdings dann, wenn die zuständigen Behörden auf eine uneinheitliche Weise reagieren und es den Anlegern erschweren, Risiken zu erkennen und zu bewerten.
Spezialfall Credit Suisse
Im Grunde ist die Schweizer Großbank seit der vorangegangenen Finanzkrise nicht mehr richtig auf die Beine gekommen. Für drei Milliarden Franken wurde nun die Übernahme durch den direkten Konkurrenten UBS besiegelt, begleitet von der Schweizer Zentralbank, die umfangreiche Liquiditätshilfen zugesagt hat. Dabei hat die Art und Weise, in der die Aufsichtsbehörden den Anlegern der Credit Suisse Verluste auferlegt haben, viele überrascht – sie haben den Aktienanlegern eine (kleine) Entschädigung zugestanden, während die Inhaber einer bestimmten Art von Bankanleihen (CoCo-Bonds) leer ausgingen. Manche befürchten, dass damit ein neues und merkwürdiges Szenario in ganz Europa geschaffen wird, bei dem Aktienanleger im Falle einer Insolvenz den Vorrang vor ausgewählten Anleihegläubigern haben. Unserer Meinung nach gibt es jedoch gute Gründe für die Annahme, dass die Situation der Credit Suisse keine neue Blaupause für europäische Banken ist, nicht zuletzt, weil die Schweiz nicht zur EU gehört und die Credit Suisse daher nicht nach den Regeln des geltenden EU-Rechts abgewickelt wurde.
Kein „Bank Run“ in Sicht
Die Schlagzeilen beschäftigen sich zunehmend mit dem Szenario eines „Bank Runs“, einem flächendeckenden Ansturm der Kunden auf ihre Einlagen. Hier ist die Credit Suisse jedoch klar abzugrenzen von der breiten Bankenlandschaft in Europa. Das Verhältnis von Krediten zu Einlagen ist in den vergangenen beiden Jahren nur um ein Prozent gestiegen, die Überschussreserven sind weiterhin recht hoch und das Bankmisstrauen ist nicht weit verbreitet. Kurzum: Es ist keine Grundlage für die vielbefürchteten Ansteckungseffekte vorhanden – ähnlich zum US-Beispiel mit der SVB-Pleite und anderen regionalen US-Banken, die ebenfalls einem sehr robusten Gesamtsystem entgegenstehen.
Trotz aller Relativierungen ist natürlich eine erhöhte Aufmerksamkeit gefragt. Nach eigenen Aussagen werden die Banken etwas mehr Vorsicht bei der Kreditvergabe walten lassen, Dividendenzahlungen und Aktienrückkaufprogramme jedoch tendenziell unbeeindruckt fortführen. Ebenso muss streng beobachtet werden, ob die Regulierungsbehörden einen unbeholfenen Eingriff in die Märkte wagen, der mit ungewollten Folgen verbunden wäre.
Fazit: In der Summe lässt sich festhalten: Die Stimmung ist am Boden, viele Anleger fühlen sich an die Jahre 2008 oder 2011 erinnert. Die Banken sind jedoch heute weitaus robuster aufgestellt und die Ängste sollten sich sukzessive verflüchtigen. Das fundamentale Umfeld ist stabil, die Konsumenten zeigen Stärke, die Investitionen der Unternehmen sind robust, China stabilisiert seinen Immobiliensektor und die Inflation schwindet. Beste Voraussetzungen für positive Überraschungen im Börsenjahr 2023!
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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